«FREIHEIT IST FREIHEIT»: Inoffizielle sowjetische Lyrik

Igor Cholin, Eduard Limonov, Vsevolod Nekrasov,
Genrich Sapgir, Vladislav Ljon, Wagritsch Bachtschanjan

«Freiheit ist Freiheit»:
Inoffizielle sowjetische Lyrik

/ Russisch-Deutsch, herausgegeben von Liesl Ujvary
// Zürich: «Verlag der Arche», 1975,
Gebunden, Schutzumschlag, 176 S.,
Abmessungen: 195⨉115⨉17 mm

limonka

Inoffizielle sowjetische Dichtung

Eine Einführung

Sechs russische Dichter werden hier zum ersten Mal in russischer Sprache gedruckt und in Übersetzungen dem deutschen Publikum vorgestellt. Die Doppelsprachigkeit des Buches weist auf zwei verschiedene Funktionen desselben hin.

Einerseits soll es den deutschen Leser über die poetische Entwicklung informieren, die in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren im russischen Sprachraum stattfand. Ein Vergleich der Ergebnisse dieser Entwicklung mit literarischen Erscheinungen im Westen zeigt erstaunliche Parallelen — auch in Russland wurde in einer Weise mit der Sprache gearbeitet, welche zur Entstehung einer konkreten Poesie führte.

Andererseits soll das Buch den russischen Leser über die poetische Entwicklung informieren, die sich zwar in seinem Lande, doch ausserhalb der festgelegten sprachlichen Gesetze des Landes abspielt. Die in der Sowjetunion wirksame Maschinerie zur Steuerung des Bewusstseins funktioniert gemäss der Erkenntnis Wittgensteins — «Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt». Alle Manipulationen, die darauf abzielen, die traditionell akzeptierten sprachlichen Denkschemata aufzulockern und zu erweitern, werden als «sinnloser unverständlicher Blödsinn» klassifiziert und können deshalb in die veröffentlichte Literatur keinen Eingang finden. Dass es sich dabei um eine sprachlich motivierte Zensur handelt, ergibt sich schon daraus, dass sich aus den meisten dieser Gedichte ein vordergründiger politischer Protest nicht herauslesen lässt. Ein Gedicht von Igor Cholin lautet:

Dröhn Donner
Dröhn
Fliess Regen
Fliess
Neig dich Baum
Neig dich
Spriess Gras
Spriess
All dies für mich

Allgemein akzeptierte Funktionszusammenhänge, hier physikalischer Natur, werden ignoriert, ein neuer — die weitgehende Identität des menschlichen Bewusstseinsraumes mit Elementen der Umgebung — wird angedeutet. «Der Autor leidet an Grössen wahn», würde die sowjetische Kritik zu diesem Gedicht bemerken.

Aber auch ein Gedicht wie dieses von Nekrasov:

was ist das
was ist das
das ist alles
das ist alles
alles und sonst nichts
alles und sonst nichts
und alles ist prima
und alles ist prima

das einige sprachliche Klischees aus dem gebräuchlichen umgangssprachlichen Kontext herauslöst, ihnen durch die Wiederholung eine besondere Signalwirkung verleiht und durch eine bestimmte Reihenfolge die ausweglose Abgeschlossenheit dieser Phrasen aufzeigt, ist häretisch — auch wenn es scheinbar gut ausgeht.

Die offizielle sowjetische Lehrmeinung besagt, dass Sprache ein Kommunikationsmittel darstellt, welches sich gegenüber der übermittelten Information neutral verhält. Dass bestimmte sprachliche Formen und Formeln — wie die Subjekt-Objektrelation oder die oben angeführten Klischees — ein bestimmtes Verhalten des Menschen zu seiner Umwelt implizieren können, ist eine Fragestellung, die nicht gestattet wird. Eine Thematisierung der Sprache darf in der Sowjetliteratur nicht stattfinden — sie könnte ja nebenbei den Wortschwall ganz besonders drückender Art zutage bringen, mit dem der Sowjetbürger tagtäglich überschüttet wird. Ein Beispiel dafür ist Nekrasovs «Gedicht»

Zunahme der
fortgesetzten beschleunigten tatkräftigen inangriffnahme von massnahmen…

Poesie soll poetisch sein. Poesie soll der Entspannung und der Ablenkung dienen oder gewisse, offiziell gewünschte Gefühle wie Freude an der Arbeit oder Heroismus erzeugen. Ein Gedicht wie das genannte ist nicht poetisch, innerhalb der begrenzten sowjetischen Sprachwirklichkeit ist es funktionslos. Diese Wirklichkeit ist in Funktionszusammenhänge physikalischer, technischer, ökonomischer, gesellschaftlicher Natur auf geteilt. Literatur erfüllt einen genau definierten Zweck innerhalb des gesellschaftlichen Funktionszusammenhanges. Während der Stalinzeit war der direkte Druck, dem der Einzelne ständig ausgesetzt war, offenbar zu gross, um eine Haltung entstehen zu lassen, die eine Auseinandersetzung mit der sprachlichen Wirklichkeit ermöglicht hätte — nur das Leiden unter dieser Wirklichkeit konnte sich manifestieren. Gedichte von Mandelstam, Achmatova oder Pasternak halten sich innerhalb der von traditionellen Denk- und Sprachmustern abgesteckten poetischen Gefilde auf, nur bringen sie nicht «Freude am Aufbau des Sozialismus» zum Ausdruck, sondern Leid. Die negative emotionelle Färbung dieser Lyrik ist der Grund, warum diese Dichter gar nicht oder nur spärlich gedruckt werden. Eine direkte Bedrohung des sowjetischen Systems stellen sie nicht dar. Diese könnte viel eher von einem anderen, auch schwer zugänglichen Dichter ausgehen, von Velemir Chlebnikov. Chlebnikov erzeugte durch komplexe ineinander verzahnte Manipulationen phonetischer und semantischer Natur eine «metarationale Sprache» (zaumnyj jazyk), die tatsächlich eine «Wirklichkeit ohne Ränder» zu öffnen scheint.

Chlebnikovs aufmerksamster Schüler in der Sowjetliteratur war Majakovskij. Doch ordnete Majakovskij seine an Chlebnikov geschulten sprachlichen Innovationen häufig Denkzusammenhängen unter, die in der traditionellen Sprach Wirklichkeit beheimatet waren und einen prosowjetischen Kontext hatten. So konnte Majakovskij zu einem offiziellen Dichter stilisiert werden, während seine sprachlichen Experimente aus dem Bewusstsein abgedrängt wurden.

Für die Dichter, die nach Stalins Tod, also etwa um die Mitte der fünfziger Jahre, zu schreiben begannen, war ein Fortsetzen Chlebnikov’scher Methoden offenbar unmöglich. Unter dem jahrzehntelangen Druck der Stalinzeit hatte sich die Sprachwirklichkeit so verhärtet und verengt, dass neue Wege gefunden werden mussten, die ein freieres Begehen und Übertreten dieser Wirklichkeit erlaubten.

Die in diesem Buch vorliegenden Ergebnisse dieses Suchens ergeben allerdings bei weitem kein repräsentatives Bild der heutigen Situation in Russland. Erstens ist die Verbreitung von Samisdat auf enge Kreise der Intelligenz beschränkt, die sich manchmal kaum überschneiden; Dichter, die in derselben Richtung arbeiten, können jahrelang nebeneinander leben, ohne jemals auch nur voneinander zu hören. Zweitens gelangt nur ein Bruchteil der Arbeiten in den Westen. Drittens ist ein beträchtlicher Teil der Texte kaum zu übersetzen. Viertens fehlt dem deutschen Leser der Kontext des russischen Lebens, die Realien politischer, soziologischer, sprachlicher, geographischer, klimatischer usw. Natur, ohne deren Kenntnis viele Texte nicht dechiffrierbar sind.

Einige der Mittel und Vorgangsweisen, mit denen sich die hier gedruckten Autoren der normierten Sprache erwehren und in von ihr unberührte Bereiche Vordringen, lassen sich trotz allem erkennen. Cholin und Nekrasov etwa stellen Methode und Vokabular dieser Sprache manchmal einfach zur Schau — wie Nekrasov in dem Gedicht «Macht, Verstand, Ehre, Gewissen». Cholin reproduziert die verkürzte harte Logik, welche weite Bereiche des sowjetischen Alltags formt, und füllt sie mit einer unerlaubten Semantik auf («Klavier zu verkaufen», «Bekanntschaft», «Da hat ein Automat»). In anderen Gedichten wie in «Meine Erde» oder «Ihr kennt ihn nicht den Cholin» durchbricht er festgefügte hierarchische Zusammenhänge und stellt neue Ordnungen her. Das freie Manipulieren mit Funktionskomplexen verschiedenster Art und dem semantischen Material, aus welchem sie aufgebaut sind, ist kennzeichnend für Cholins Lyrik.

Für Nekrasov sind alle sprachlichen Elemente, auch topographische Bezeichnungen, Eigennamen, Fremdwörter, Ausrufe, die unzähligen sowjetischen Abkürzungen, gleichwertig und poetischer Verwendung zugänglich. Er kombiniert diese Elemente in einer Weise, welche die genormte Bedeutung der Wörter verwischt und ein bestimmtes semantisches Klima entstehen lässt, das, ähnlich der Klangfarbenmusik, verschieden gefärbte emotionelle Zustände zum Ausdruck bringt. Besonders typisch tritt diese Methode in den «Frühlingsgedichten» (— es wird irgendwie besser) und in den «Herbstgedichten» (— es wird irgendwie schlechter) zutage. Manchmal zieht er mit einer sowjetischen Phrase einen abrupten Schlussstrich.

Sapgir ist mit seinen «Liegedichten» («ljustichi») als Verfasser einer sparsam und prägnant formulierten konkreten Poesie in der Art der Konstellationen Gomringers hervorgetreten — leider sind diese Gedichte nicht verfügbar. Cholin, Nekrasov und Sapgir nehmen in ihren Arbeiten ziemlich tiefgehende Veränderungen der Sprachnorm vor, um ein freieres und weicheres Erleben der menschlichen Sphäre zu ermöglichen. Andere Dichter, wie Limonov oder Ljon, streben ein ähnliches Ziel an, setzen jedoch ein traditionelleres Instrumentarium ein.

Vladislav Ljon gliedert seine Gedichte in Strophen, verwendet Versmasse und reimt. In den meisten seiner Gedichte wird ein Gedankengang entwickelt oder eine Hypothese aufgestellt — etwa die latente Gefährdung des Dichters in einer starr und eindeutig definierten Umwelt. Diese Aussagen macht Ljon mit Hilfe eines Wortmaterials, das fast ausschliesslich in sprachlichen Randschichten angesiedelt ist — Archaismen, buchsprachliche Ausdrücke, volkssprachliche Wendungen werden durch Reime und durch die im Russischen so wirksamen Assonanzen miteinander verschlungen, wodurch ihr Bedeutungshorizont entsprechend bereichert und erweitert wird. Ljon empfindet aber nicht nur die Sprachwirklichkeit, in der er lebt, als Kerker, auch die spezifische biologische Beschaffenheit des Menschen und seine wissenschaftlichen Konzeptionen, die Erkenntnis zwar ermöglichen, aber zugleich begrenzen, spielen in seiner Lyrik eine grosse Rolle. Um diese, wie es scheint, fast ausweglose Situation aufzulösen, führt Ljon in manchen seiner Gedichte einen, wenn auch sehr abstrakt gefassten Gottesbegriff ein.

Auch Limonov hält sich eher innerhalb der konventionellen Sphäre auf, doch während Ljon sich sowohl in sprachlicher wie auch in erkenntnistheoretischer Beziehung in den Grenzgebieten dieser Sphäre aufhält, zieht Limonov gerade das Spiel mit konventionellen Klischees vor. Diese Klischeevorstellungen findet er als emotionelle Zustände verschiedenster Art — ironische, sentimentale, absurde, «russische», «dichterische» — bereits fertig in der Sprache vor und kombiniert sie in einer Weise, die entweder das Klischee erledigt («Ach mein Heimatland, russische Flur»), oder die durch Aneinanderreihen und Übereinanderlegen der Klischees neue Erlebnismöglichkeiten, emotionelle Zwischenzustände, sichtbar werden lässt. Limonovs Gedichte klingen vertraut und fremdartig zugleich.

Der sechste der hier vorgestellten Autoren, Wagritsch Bachtschanjan, ist kein eigentlicher Lyriker. Er steht in der langen Tradition russischer Nonsensliteratur und des schwarzen Humors, eine Richtung, die nie völlig abriss und in der Zwischenkriegszeit von Autoren wie Jewgenij Schwarz und Daniil Charms fortgeführt wurde. Bachtschanjan bewegt sich frei zwischen den Genres, er schreibt Poeme, Kurzdramen, Prosastücke, Erzählungen. Diese Texte bestehen aus unbearbeiteten, in sich geschlossenen Wirklichkeitsbruchstücken verschiedener Grösse und Beschaffenheit, die anhand irgendeiner logischen Struktur zusammengesetzt werden. Deutlich erkennbar ist dieses Verfahren in der «Biographie» oder im «Tagebuch». Die absichtlich falschen Ordnungen, die Bachtschanjan herstellt, weisen nicht nur darauf hin, dass die allgemein gültige Ordnung genau so bizarr und «falsch» sein kann, sie öffnen auch Durchblicke auf die schreckliche Buntheit einer Welt ohne Schranken.

Liesl Ujvary

limonka

Eduard Limonov

* * *

На улице идет Кропоткин
Кропоткин шагом дробным
Кропоткин в облака стреляет
Из черно-дымного пистоля

Кропоткина же любит дама
Так километров за пятнадцать
Она живет в стенах суровых
С ней муж дитя и попугай

Дитя любимое смешное
И попугай ее противник
И муж рассеянный мужчина
В самом себе не до себя

По улице еще идет Кропоткин
Но прекратил стрелять в облаки
Он пистолет свой продувает
Из рта горячим направленьем

Кропоткина же любит дама
И попугай ее противник
Он целый день кричит из клетки
Кропоткин ― пиф! Кропоткин ― паф!


Auf der Straße geht Kropotkin
mit kurzen raschen Schritten
Kropotkin feuert in die Wolken
aus einem schwarzen rauchenden Pistol

Er ist die Liebe einer Dame
so an die fünfzehn Kilometer weit
lebt sie in strengen Mauern
mit Mann und Kind und Papagei

Das Kind geliebt und komisch
der Papagei der ist ihr Gegner
der Mann verschroben und zerstreut
mit seinem Sinn nicht sehr bei sich

Und auf der Straße geht Kropotkin
des Wolkenschiessens müde
und bläst nun den Pistolenlauf
an der heissen Mündung aus

Er ist die Liebe einer Dame
mit Papagei der ist ihr Gegner
und schreit im Käfig unentwegt
Kropotkin piff! Kropotkin paff!

* * *

В губернии номер пятнадцать
Большое созданье жило
Жило оно значит в аптеке
Аптекарь его поливал

И не было в общем растеньем
Имело и рот и три пальца
Жило оно в светлой банке
Лежало оно на полу

В губернии номер пятнадцать
Как утро так выли заводы
Как осень так дождь кислил
Аптекарь вставал зевая
Вливал созданию воду до края
И в банке кусая губы
Создание это шлёпало…

Так тянется год… и проходит
Еще один год… и проходит
Создание с бантиком красным
Аптекаря ждет неустанно

Каждое зябкое утро
Втягиваясь в халат
Аптекарь ему прислужит
Потом идет досыпать


Im Gouvernement Nummer fünfzehn
Lebte ein grosses Geschöpf
Es lebte in der Apotheke
Der Apotheker begoss es

Das war überhaupt keine Pflanze
Hatte auch einen Mund und drei Finger
Es lebte in einem hellen Gefäss
Es lag auf dem Boden

Im Gouvernement Nummer fünfzehn
Heulten morgens die Fabriken
Im Herbst regnete es säuerlich
Gähnend stand der Apotheker auf
Goss dem Geschöpf Wasser nach bis oben
Und im Gefäss die Lippen beissend
Planschte dieses Geschöpf

So zieht sich ein Jahr… und vergeht
Wieder ein Jahr… unf´d vergeht
Das Geschöpf mit der roten Schleufe
Wartet unaufhörlich auf den Apotheker

Jeden zittrigen Morgen
Eingewickelt in den Schlafrock
Bedient es der Apotheker
Dann legt er sich noch einmal schlafen

* * *

Я люблю живую капусту
очень высокого роста
Люблю видеть Валентину Павловну
Выходящую из дома утром

Тихую мечтательную зелень
с кислым тургеневским оттенком
перемежающуюся девушками немного
розовыми платьями мелькая

Жизнь размеренную без бега без шума
последнюю книгу с заломленной страницей
слегка духами подмазанную маму
она щебечет словно птица

Белый столик на нём яркий завтрак
из помидоров яишницы молока
протянутую в воздухе руку
это моя собственная рука


Ich liebe das volle Kraut
von sehr hohem Wuchs
Ich sehe gerne Valentina Pawlowna
morgens aus dem Haus gehen

Ich liebe das stille träumerische Grün
seinen turgenjewsauren Ton
ein wenig mit Mädchen vermengt,
mit dem Schimmer roter Kleider

Das gemessene Leben ohne Laufen Lärmen
das letzte Buch mit der eingeknickten Seite
Mama in einem leichten Hauch Parfum
sie zwitschert wie ein Vogel

Den weissen Tisch darauf das bunte Frühstück
von Tomaten Milch und Eiern
in der Luft die ausgestreckte Hand
das ist meine eigene Hand

* * *

Этот день невероятный
Был дождем покрыт
Кирпичи в садах размокли
Красностенных домов

В окружении деревьев жили в домах
Люди молодые старые и дети:

В угол целый день глядела Катя

Бегать бегала кричала
Волосы все растрепала — Оля

Книгу тайную читал
С чердака глядя украдкой мрачной Федор

Восхитительно любила
Что-то новое в природе — Анна
/Что-то новое в природе
То ли луч пустого солнца
То ли глубь пустого леса
Или новый вид цветка/

Дождь стучал одноритмичный

В зеркало теперь глядела — Оля

Кушал чай с китайской булкой — Федор

Засыпая улетала — Катя

В дождь печально выходила — Анна


Dieser Tag war unwahrscheinlich
und von Regen ganz bedeckt
In den Gärten nasse Mauern
roter Ziegelhäuser

Umgeben rings von Bäumen lebten in den Häusern
Menschen Junge Alte Kinder:

In die Ecke starre früh bis abend Katja

Und mit aufgelösten Haaren
rannte schreiend hin und her — Olja

Unterm Dache las verstohlen blickend
ein geheimes Buch der finstre Fjodor

Auf entzückende Weise liebte
ein neues Stück Natur — Anna
(ein neues Stück Natur
einen Strahl der leeren Sonne
die Tiefe eines leeren Waldes
oder eine neue Blume)

Der Regen schlug im gleichen Rhythmus

In den Spiegel schaute — Olja

Tee zum Kochen trank nun — Fjodor

Einschlafend entschwebte — Katja

Traurig in den Regen trat nun — Anna

Элегия | Elegie

Я обедал супом… солнце колыхалось
Я обедал летом… летом потогонным
Кончил я обедать… кончил я обедать
Осень сразу стала… сразу же началась

Дожди засвистели… Темень загустела
Птицы стали улетать…
Звери стали засыпать
Ноги подмерзать…

Сидя в трех рубашках и одном пальто
Пусто вспоминаю как я пообедал
Как я суп покушал еще в жарком лете
Огнемилом лете… цветоликем лете


Ich sass bei Tisch in der bebenden Sonne
und hielt Mittagsmahl zur heissen Sommerszeit
und als ich fertig war, als ich fertig war
da hat auch schon der Herbst begonnen

Die Regen rauschten, das Dunkel bauschte sich
die Vögel zogen fort
die Tiere schliefen ein
die Füsse froren

Mit einem Mantel und drei Hemden angetan
sitz ich da und denke an mein Mittagsmahl
wie ich Suppe ass im heissen Sommer
im feuerlieben blumenhellen Sommer

* * *

Только кухню мою вспоминаю
А больше и ничего
Большая была и простая
Молока в ней хлеба полно

Тёмная правда немного
Тесная течёт с потолка
Но зато как садишься кушать
Приятно движется рука

Гости когда приходили
Чаще в зимние вечера
То чаи мы на кухне пили
Из маленьких чашек… жара

А жена моя там стирала
Около года прошло
Всё кухни мне было мало
Ушла она как в стекло

Сейчас нет этой кухни
Петр Петрович приходит ко мне
Сидит в бороде насуплен
Нет говорит кухни твоей


An meine Küche denke ich noch immer
nur an sie, sonst an nichts
es war ein grosses und einfaches Zimmer
und immer reich an Brot und Milch

Ein wenig dunkel war sie freilich
und es tropfte von der Decke
dafür steckte sich wohlig die Hand
wenn ich mich zum Essen setzte

Jedesmal wenn Freunde zu uns kamen
im Winter und an Abenden meist
tranken wir Tee aus kleinen Schalen
und in der Küche wurde es heiss

Meine Frau hat dort gewaschen
ein Jahr ungefähr liegt es zurück
die Küche war mir immer zu wenig
jetzt ist sie sehr fern und entrückt

Jetzt gibt es diese Küche nicht
Pjotr Petrowitsch kommt manchmal her
sitzt da und brütet vor sich hin
Deine Küche, sagt er, gibt's nicht mehr

* * *

Был вот и друг у меня
А теперь как скончался он будто
Нету друзей никаких
Я один на дикой земле

только стараюсь внести
в быт свой некий порядок
туфли почистил я взял…
снова поставил туда…

Всё-таки он отчего
Вдруг и покинул неясно
что-то я тут не пойму…

Очень окутан предмет
странным уму моему
чувственным синим туманом…

Уж не завидует ль мне?..
…Что я! чему тут зави…


Ich hatte da auch einen Freund
Jetzt scheint er gestorben zu sein
Es gibt überhaupt keine Freunde
Bin allein auf der öden Welt

Gerade geb ich mir Müh
Mein Dasein ein wenig zu ordnen
Begann meine Schuhe zu putzen
Stellte sie wieder dahin

Irgendworan ist er trotzdem
Plötzlich war er fort so unklar
Etwas versteh ich da nicht…

Sehr verhüllt ist der Gegenstand
Vor meinem Verstand
In seltsam blauem Nebel von Gefühlen…

Er wird mich doch wohl nicht beneiden…
…Was sag ich! Was gibt's zu benei…

* * *

Ах родная, родная земля
Я скажу тебе русское — бля…
До чего в тебе много иных
молодых и нагих

Так зачем же тебе я — урод
народившийся из тёмных вод
подколодных ночных берегов
городов

Так зачем я тебе от стены
Где всегда раздвигали штаны
Где воняет безмерно мочой
Так зачем я тебе городской

Краснощеких возьми деревень
У них поросль растёт каждый день
Я зачем тебе с тонким лицом
Со здоровым возись подлецом

Отвечает родная земля
— Ты назад забери своё — бля…
Только ты мне и нужен один
Ты специально для этих равнин

Ты и сделан для этой беды
для моей для травы-лебеды
И для шепота ржавых ножей
Я ищу бедной груди твоей

Но за службу такую плачу
Твое имя свиваю в свечу
и горит же она всё горит
тебя всякий из русских простит

И поймёт всё поймёт
шапку снимет и слёзы прольёт


Du mein Heimatland russische Flur
Ich sag dir's gut russisch: du Hur'…
Hast ja andere allzumal
Strahlend und nackt ohne Zahl

Was soll ich dir, ich der Verdammte
Aus den finsteren Wassern Entstammte
Aus den Schöpfstellen-Ufern bei Nacht
Aus der Stadt

Was soll ich dir, ich von der Wand
Wo man stets an den Hosenschlitz langt
Wo es unmässig stinkt nach Urin
Sag was hast mit mir Städter im Sinn

Such dir rotbackig Dorfvolk zuhauf
Dort wächst Nachwuchs tagtäglich dir auf
Was soll dir mein zartes Gesicht
Greif dir du einen kernigen Wicht

Und das Heimatland gibt mir's retour:
Nimm's zurück nimm's dir selbst das Wort: Hur'…
Du allein bist mir wert und wichtig
Für meine Weiten grad richtig

Für dies Elend eigens gebaut
Für mein Gras für mein Unkraut und Kraut
Und das Flüstern rostiger Klingen
Soll die leidende Brust dir durchdringen

Doch für solchen Dienst zahl ich rechtlich
Deinen Namen zur Kerze verflecht ich
Dass sie brennt und allzeit brennt
Dass es jeder Russe erkennt

Und verzeiht und alles verzeiht
Und den Hut zieht und Tränen dir weiht

* * *

Летит волна от берега другого.
И к этому из Турции приходит.
сегодня она только боковая
а завтра будет роковой волной
Купальщики из города большого
Поднявши бороды влезают в воду
А мне-то и влезать в неё не надо —
Я часть её. мы тихо говорим

Выходит месяц. толпы стали белы
молочные вечерние. ленивы
и я гребу последними ногами
но только ото всех от них назад

— Полезно также поучительно и даже
хоть смерти и желать. но сам не подойди…
Когда ковёр моей кровавой славы
повиснет над Парижем и Европой
когда с него повиснут на шнурах
кинжалы. губки. яды дорогие и русские
растрепанные тряпки. ты — господин —
посмотришь в синеву…

Бесстыдные раскрашенные девки
держа зубами ветхими гнилыми
а в волосах везде мужское сало —
летают с белохвостыми мечтами —
о да!
да! да!..
представьте! наравне

— А что ещё полезно для ученья
для молодых предутренних поэтов
которые настроены случайно
и выправить премудростью хотят?

А ничего! А ничего!
А бездна! А мрак! А лошади седые!
Хохлы и русские в ночи!

Когда-нибудь меня за это и накроют
Трам-тата-там!
Когда-нибудь меня за это
убьют наверно трам-та-там!


Eine Welle fliegt her von einem anderen Ufer.
Und zu diesem kommt sie aus der Türkei.
Heute ist sie nur so nebenbei
aber morgen wird's die Schicksalswelle sein
Badegäste aus der grossen Stadt
erheben ihre Bärte und steigen ins Wasser
ich brauch nicht hineinzusteigen —
ich bin ein Teil von ihm. Wir sprechen leise

Der Mond geht auf. Die Scharen sind weiss geworden
milchig abendlich. Faul
und ich rudere mit letzten Armen
nicht hin sondern weg von ihnen allen

— Es ist nützlich und sogar lehrreich
wenn auch schwer wie der Tod. Komm nicht näher…

Wenn der Teppich meines blutigen Ruhms
über Paris und über Europa hängen wird
wenn von ihm an Fäden Dolche baumeln. Schwämme
teure Gifte und zerfranste russische Fetzen.
Du — Herr — schaust in die Bläue…

Schamlos angemalte Weiber
sich an brüchigen faulen Zähnen haltend
und in den Haaren Männerfett
fliegen mit weissflügeligen Träumen —
o ja!
ja! ja!
Stellen Sie sich vor! Auf gleicher Höhe

Und was ist noch nützlich zu wissen
für junge frühmorgendliche Dichter
die unbestimmter Laune sind
und Weisheit anwenden wollen?

Nichts! Gar nichts!
Abgrund! Schwärze! Grauhaarige Pferde!
Ukrainer und Russen bei Nacht!

Dafür werden sie mich noch erwischen
Tram-tata-tam!
Dafür werden sie mich einmal sicher
Umbringen tram-ta-tam!

limonka

Biographische Notizen

⟨…⟩

Eduard Limonov, geb. 1943 in Charkow, lebt in Moskau, ohne Stellung und ohne festen Wohnsitz. Schreibt Gedichte und Poeme.

⟨…⟩

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