KRACHKULTUR (Ausgabe 13, 2010)

Edward Limonow, Barbara Lehmann, Denton Welcha, Eduardo Andersen, Ragnar Hovland, Reidar Karlsen, Ersi Sotiropoulos, Mick Fitzgerald, Jon Michelet, Wolfgang Schömel, Wolf Reiser, Fabian Reimann, Joshua Mehigan, Agis Sideras, Stan Lafleur, Hendrik Rost, Christophe Fricker, Marcus Roloff, Arne Rautenberg, Gerald Fiebig, Martin Brinkmann, Martin Brinkmann

Krachkultur:
Ausgabe 13/2010

/ Herausgegeben von Martin Brinkmann und Fabian Reimann
// München: «Krachkultur Verlag», 2010,
Literaturzeitschrift, Taschenbuch, 184 S.,
ISSN 0947-0697,
ISBN 978-3-931924-08-9,
Abmessungen: 210⨉135⨉14 mm

limonka

Edward Limonow

Mussolini und andere Faschisten

Aus dem Russischen von
Barbara Lehmann und Aleksej Khairetdinov

Ich aß gerade meinen Reis mit polnischer Wurst auf, da erschien Mussolini. »Mailänder!«, schrie Mussolini. Graue Bartstoppeln, Boxerface, schwarzes Hemd. Er hielt sich am massiven Balkongitter fest. »Mailänder, ich bin zu euch gekommen, um euch zu sagen«, Mussolini fasste mit hartem Griff das Geländer und hievte es an sich heran, »ganz Italien schaut auf euch!«

Ein Frösteln überlief meinen Nacken und die Schultern, ich hörte auf zu kauen. Mussolini und mit ihm ganz Italien schaute auf mich. Ich schmiss die Gabel hin, sprang auf und lief im Zimmer rum. Die schweren Pranken Mussolinis rissen mich mit dem Balkongitter mit, und ich landete auf dem Boden. Die begleitenden Kommandeure auf dem Balkon wippten mit den Troddeln an den Fezen. Die Flaggen schwollen an, Kanonen und Panzer rollten los. »Faccetta nera, bell'abissina…« Junge, gut gelaunte Faschisten überfluteten die Piazza.

Sofort mischte sich der Fernsehkommentator ein. Die lassen dich nie allein mit alten Filmaufnahmen. In der Demokratie erzählen sie dir immer, was gut und was schlecht ist, damit nur keiner durcheinander kommt. Der Kommentator sprach über die aggressive faschistische Expansionspolitik, doch die Faschisten waren so jung und so fröhlich, echt! ― keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so viele glückliche und starke Menschen zusammen auf einem Platz gesehen hatte. Um den Eindruck zu vermiesen, quatschte der Kommentator irgend so einen Scheiß über die Liparischen Inseln, auf die Mussolini schon früh seine Feinde verbannt hatte, wo man ihnen angeblich Rizinusöl einflößte, wovon der Mensch austrocknet wie eine ägyptische Mumie. Doch die Mumien wurden nicht gezeigt, offensichtlich gab es davon keine Aufnahmen mehr. Und sogar dieser Film, der zweifellos für Propagandazwecke angefertigt worden war, zeigte nur kräftige Arme, fröhliche Fratzen, flinke Bewegungen. Immerhin, den Amis war es bei diesem Zusammenschnitt einer Menge von Paraden gelungen, die Eitelkeit des Faschismus herauszustreichen.

An der Tür klopfte es dreimal. Ich machte auf. »Eddi, hast du Zigaretten?«

Mein Nachbar Ken war in einem durchaus passablen Zustand. Gestutzter Bart. Neue Brille. Die Suffphase war vorbei, nun entlud er Obst für den A&P Supermarket von nebenan, verdiente Dollars, um seine Schulden zu zahlen, die sich während des Suffs angehäuft hatten.

»Komm rein«, bot ich an.

»No, thanks, ich hab eine Frau bei mir.«

Er lächelte. Ein großer schwarzer Mann.

Wenn man mir damals mit elf gesagt hätte, hör mal, Kleiner, in zwanzig Jahren bist du in New York, auf dem Upper Broadway, als einziger Weißer unter lauter Schwarzen, du rauchst Gras, säufst mit dem schwarzen Ken, und dein schlimmster Feind ist ein Assistant Manager, der Mexikaner Peres ― dann hätte ich über den doofen Scherz lang und traurig gelacht. Als ich elf war, habe ich den ganzen Tag aus der Wohnung meiner Eltern auf einen einsamen Baum geschaut, der neben dem Telegraphenmast am Rande der staubigen öden Straße, genannt Poperetschnaja, also Querstraße, stand, und mit Entsetzen gedacht, dass ich diesen Baum mein ganzes Leben lang anstarren werde. Doch es kam anders. Schon mit elf regte sich etwas in mir, dann wieder mit fünfzehn, und später, als ich dann gar nicht mehr an diesen Baum in der Saltowski-Siedlung gedacht habe, wurde mir schlagartig klar, dass der Baum weg war und ich seit langem in einer anderen Welt lebte, mein drittes, mein viertes Leben. In der Welt von Erich Maria Remarque zum Beispiel: Als Junge las ich seine »Drei Kameraden«, so wie andere »Die Schatzinsel« lesen, hingerissen von dieser fremden Exotik. Und du, staubiger Baum am Rand eines Fußwegs irgendwo in der Ukraine, der sich später zu einer Straße mauserte, lebst du noch? Ich weiß nicht mal genau, was für ein Baum du warst. Ich erinnere mich gerade noch an den grauen Stamm und die staubigen Blätter. Klein warst du, von uns gesetzt, den Einwohnern des Hauses Nr. 22. Ich sehe noch unsere Gärtnermannschaft: meinen Vater, den Hauptmann in der Uniformhose des Innenministeriums und in alten Stiefeln, und mich, in blöden Trainigshosen, Onkel Sascha Tschepiga, den Elektriker, leicht angeduselt, und den Sohn von Onkel Sascha, Witka, einen mürrischen Jungen von vier Jahren. Onkel Sascha hielt den Setzling so ungeschickt, dass seine Wurzeln die Wände der Grube streiften, und mein Vater kniete sich nieder und warf mit den Händen die Erde drauf.

»Cigarettes.« Ken wedelte mit seinen langen schwarzen Fingern vor meiner Nase herum. »Hallo, hier, wo bist du gerade?«

Ich gab ihm drei Zigaretten. Auch für die Frau.

»Vielen Dank«, sagte er. »Hast du dir einen Hund angeschafft, Eddi?«

»Nein, wieso?«

»Wen fütterst du dann da unten?« Er wieherte los und zeigte auf meinen Teller am Boden, mit dem Reis und den Wurstresten drauf.

»Mich selbst.« Ich fiel in sein Lachen ein. »TV dinner«, rechtfertigte ich mich.

Mussolini war fünf bis sieben Minuten verschwunden, dann tauchte er als ein alter Mann wieder auf, in einem übergroßen Ledermantel. Hitler schickte Oberst Otto Skorzeny, um Mussolini aus den Klauen der Feinde zu retten. Skorzeny führte den Befehl aus. Hitler, leicht gebeugt und müde, klopfte dem aus dem Flugzeug steigenden Mussolini auf die Schultern und schnitt eine ermunternde Grimasse, nach dem Motto: »Welcome home, old silly boy.« So einen Freund hätte ich auch gern gehabt.

Doch im Film ging es eigentlich nicht um Mussolini, sondern um Italien. Deshalb zeigten sie noch eine halbe Stunde lang die ruhmreichen Truppen der Alliierten, die in Sizilien gelandet waren, und die italienischen Huren, die sich für Schokolade, Nylonstrümpfe und Penicillin an die amerikanischen Soldaten verkauft hatten. Dieser schwunghafte Handel wurde von New Orleaner Jazz untermalt. Am Ende des Films zeigten sie zehn Leichen, die sich dicht nebeneinander auf dem Boden stapelten. Das engagierte Volk spuckte auf die Leichen und trat sie mit den Stiefeln. Als sie Benito und seine Freundin Clara Petacci entdeckten, hängten die Partisanen sie an den Beinen auf. Der Kommentator verkündete schadenfroh, dies wäre das unrühmliche Ende des faschistischen Diktators gewesen. Amerikanische Siegesmusik erklang. Das Volk, wie immer prinzipienlos, heulte froh auf.

Ich war auf der Seite Benitos. Für das Volk hatte ich nie Sympathie. Liebedienerisch, enthusiastisch hatte das Volk vor nicht mal einer Stunde am Anfang des Films unter dem Mailänder Balkon aufgeheult vor lauter Begeisterung, seinen göttlichen Cäsar zu erblicken. Jetzt, wo der Cäsar als ein Stück Fleisch abhing, wie ein abgehäuteter Eber in einer Metzgerei, tot und ungefährlich, waren die Schakale so kühn, sich ihm zu nähern. Ich stand vom Boden auf, schenkte mir aus einer Gallonenflasche kalifornischen Chablis ein und trank auf den Seelenfrieden des Diktators. Dies war mein stiller, friedlicher, einsamer sozialer Protest.

Ich war im April ins Embassy gezogen. Koch, der Besitzer vom Winslow, wo ich früher gewohnt hatte, wollte das Winslow verkaufen, eines von zweiundvierzig großen Objekten, die ihm in Manhattan gehörten. Uns, den Bewohnern, wurden Formulare übergeben mit der Aufforderung, das Gebäude zu räumen. Wir hatten zwei Monate Zeit. Die Bewohner beschlossen zu protestieren, beriefen eine Versammlung ein und nahmen sich vor, einen Anwalt aus der Civil Liberties Union zu beauftragen, der sie vor der von Koch eingesetzten mächtigen Kanzlei Sholz, Rosengrant & Lempke schützen sollte. Ich aber, staunend über ihre Naivität, suchte mir ein anderes Hotel.

Ins Embassy, als einziger Weißer unter lauter Schwarzen, war ich zufällig geraten. Am Tag zuvor war hier gerade eine Razzia gewesen, deshalb sah die Eingangshalle an diesem Morgen einigermaßen anständig aus. Nur ein einsamer sauberer Schwarzer telefonierte in der Ecke. Campbell, der Manager, war weiß, ein freundlicher, hoch gewachsener Typ mit Brille. Das Zimmer 1026, das man mir anbot, zeigte zwar nicht zum Broadway, aber auch nicht zum Hof hinaus. Man sah sogar die Columbus Avenue, da alle Gebäude dazwischen niedriger waren als das klassische elfstöckige Embassy. Um das Verführungswerk zu vollenden kam noch eine alte Wanne mit Sprüngen dazu. Ich war einverstanden. Das ganze Vergnügen kostete nur hundertsechzig Dollar im Monat. Sagenhaft billig, auch wenn es für mich sehr teuer war. Mein Verschlag im Winslow mit Blick auf die Madison Avenue kostete mich hundertdreißig. Doch vor dem Embassy war ich schon in zwei Dutzend anderen Hotels gewesen: Die Preise zogen allmählich an, denn die Stadt erholte sich, wenn auch noch verhalten, von der Depression. Ich hinterlegte eine Kaution und sagte, ich würde morgen einziehen.

Das abendliche Embassy bot sich mir am nächsten Tag ganz anders dar. Aus dem Eingang ergoss sich eine grölende Menge Schwarzer, als wir mit dem Auto vorfuhren: Candall, ein Typ aus der Socialist Workers Party am Steuer, daneben Kirill, ich und der Alkoholiker Jan Slobin mit einem Haufen Sachen auf dem Rücksitz. Wir nahmen jeder zwei Koffer und zwei Taschen und ließen Kirill im Auto warten. Er hatte einen schwachen Rücken.

Wir kämpften uns durch die Schwarzen durch und traten in die Halle ein. Aber auch dort sahen wir kein einziges weißes Gesicht. Das Fehlen von Weißen machte mich unruhig, aber ich sagte nichts. Man musste ja cool bleiben, wie alle um mich herum. Doch der bereits angesoffene Jan, weit entfernt vom Coolsein, verkündete lautstark:

»Scheiße, Limonow! Eine super Absteige ist das hier. Überall Neger. Harlem, echt.«

»Halt's Maul«, sagte ich möglichst gleichgültig.

»Mir doch scheißegal. Du musst mit denen leben. Die werden dich hier abmurksen«, lachte Jan auf.

Ich sagte nichts, obwohl auch mir das Hotel heute nicht gefiel. Der rothaarige Candell schwieg vor sich hin und lächelte. Normalerweise war er geschwätzig. Doch wahrscheinlich hatte er jetzt Angst vor dem Hotel, nur konnte er ja nicht eingestehen, dass er seine ausgebeuteten schwarzen Brüder fürchtete.

Wir verstellten mit meinem größten Koffer die Tür des Aufzugs und hievten mein Hab und Gut raus, als aus einem Winkel des Korridors plötzlich eine schweinsähnliche, gut zweihundert Kilo schwere weiße Frau hervorkam, eingewickelt in speckige schwarze Kunstseide. Die Gesichter meines Begleitkommandos hellten sich unvermittelt auf. Eine Weiße. Aha, die leben also doch hier. Die Frau wartete geduldig, bis wir unser Hab und Gut herausgeschleppt hatten, doch als wir uns der 1026 näherten und dabei den schwersten Koffer am Lift einfach zurückließen, schrie die Schweinsähnliche uns hinterher: »Hey, boys, lasst den Koffer hier nicht einfach so rumstehen. Sonst habt ihr gleich zwei.«

»Netter Ort hier, wirklich, Limon«, krächzte Jan. Er war ein Moralist, wie alle belesenen Lumpenproletarier. Und außerdem noch ein depressiver Hysteriker.

»Halt's Maul«, sagte ich. »Wolltest du mir nicht helfen? Dann halt dich zurück, verdammte Scheiße, demoralisiere uns hier nicht. Los, einen Gang noch, dann haben wir es hinter uns und können einen trinken. Im Winslow reißen sie dir auch den Koffer unterm Arsch weg, nur nach fünf Minuten. Das ist der ganze Unterschied.«

Jan reagierte auf das Wort »trinken« wie die Pawlowsche Ratte. Er hatte schon getrunken und wollte mehr. Also hielt er den Mund.

Es waren doch mehr Sachen, als ich gedacht hatte. Die ganze beschissene Operation zur Verfrachtung meiner Siebensachen beanspruchte einige Stunden. Endlich war der letzte Kleidersack auf meinem Bett gelandet, und drei Paar Augen richteten sich auf mich. Die aus der UdSSR mitgeschleppte Tradition schrieb vor, dass ich jetzt eine Runde ausgeben müsste. Schließlich hatten sie für mich gearbeitet.

Allerdings musste ich erst noch ein Mao-Porträt anbringen. Danach briet ich ein paar Pfund polnische Wurst auf der Kochplatte, die ich aus dem Winslow mitgebracht hatte, und wir machten uns über den Wodka her. Nach einer halben Stunde hatte sich Slobin mit allen angelegt, Kirill einen Juden genannt und Candell erklärt, dass Lenin Trotzki als eine »politische Hure« und einen »Judas« bezeichnet hätte.

Er ging dann als Letzter. Genau gesagt, er kroch davon und beschimpfte mich noch wegen meiner »jüdischen Kontakte« und weil ich in ein »schwarzes Ghetto« umgezogen war.

Besoffen, mit roten Flecken auf den eingefallenen Wangen, stieg er in die schwarze Masse der nach unten Fahrenden ein, die Türen des hinfälligen Lifts schlössen sich. Ich ging über das alte blutrote Korridorparkett in meine neue Bleibe zurück.

Ich machte die Glotze an und legte mich schlafen.

Klar, theoretisch weiß man, dass das Leben auch in Auschwitz weitergeht. Nur wird man sich ja nie davon überzeugen können, ob man in Auschwitz überlebt hätte. Auch über das Thema »Wie kann man als einziger Weißer unter lauter Schwarzen in einem Hotel leben« hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht. Aber gut, es funktionierte, und ich fühlte mich dabei sogar viel freier als im Winslow. Dort lebten Dutzende sowjetischer Emigranten. Sie fingen mich immer ab, belästigten mich, überfielen mich im Lift, brüllten »Privet!« am Eingang. Ich wollte nicht ihre »Misery« teilen, doch allein schon die Visagen, auch aus der Ferne, vermiesten mir die Stimmung. Meine Schwarzen im Embassy dagegen stöhnten nicht rum, sie schrien, lachten, tauschten ihre Körper und Drugs gegen Dollars ein und waren meistens gut drauf. Von Zeit zu Zeit heulte einer mal los und brüllte rum, aber eigentlich hörte man immer Musik und Gelächter, vor allem aus der Pianobar, die auf den Broadway hinausging.

Natürlich versuchten sie es, an mir ihre schwarzen Tricks auszuprobieren. In jeder Gruppe wird dem Neuen auf den Zahn gefühlt. So ist es bei den Häftlingen in einem Knast, bei den Soldaten in der Kaserne, bei den Kumpels in einem Bautrupp. Aber ich ging ihnen nicht auf den Leim. Dabei half mir nicht nur meine solide sowjetische Erfahrung mit Fabriken und Klappsen, ich war inzwischen ein gerissener New Yorker Wolf: erprobt in Welfare Centers und in beschissenen Jobs. Ein riesiger Schwarzer drückte mich mit seinem Fettbauch gegen die Korridorwand und forderte: »Gib mir ten Dollars, du Milchgesicht.« Ich lachte bloß und knallte ihm die Handfläche gegen den Bauch: »Gib du mir lieber zehn Dollars, Mann! I need it!« Er starrte mich an und lachte mit. Der Arsch kapierte, dass ich keine Angst vor ihm hatte. Und ich kapierte, dass er nicht der Mutigste war. Später hat sich herausgestellt, dass man ihn F-Man nannte, Fat Man. So einen Spitznamen verpasst man keinem harten Kerl.

Die Schwarzen sehen noch das Tier in dir, das haben sie noch drauf. Sie checken deine Bewegungen, das Muskelspiel auf deinem Gesicht. Die kriegen die kleinste Angst in dir mit, da kannst du schauspielern, wie du willst, Whitey, mein kleiner Weißer. Die geringste Unsicherheit, Unterwürfigkeit, Unruhe wird erkannt. Wenn sie merken, dass dir der Arsch auf Grundeis geht, haken sie sich mit ihren Bitten, Befehlen an dir fest, nehmen dir dein ganzes Geld weg, und du gibst alles freiwillig her, deine ganze gute Kleidung, selbst die lahmsten Jungs machen vor deiner Tür ein Fass auf, um den »Weißen« zu erschrecken. Denn diese Tür lässt sich sofort durch den Tritt eines starken schwarzen Fußes durchbrechen. Wenn du schwach bist, schlagen sie dich nicht, geschlagen werden nur die Starken. Die Schwachen, mein lieber Whitey, hackt man zu Tode. »Versohl ihm den Arsch, Joe…« »Give me your T-shirt, Whitey…« »Der will meinen Schwanz lutschen… Ha-ha-ha…« So läuft es. Da lutscht man eben auch einen Schwanz. Mit ihren Schwarzen machen sie genau dasselbe. Es geht also nicht um die Farbe der Haut, sondern um die Farbe der Leber. Ist sie nun grün vor Angst oder nicht? So ein Leben gibt's Tag für Tag an vielen Ecken unseres Planeten. Das ist die gute alte natürliche Auslese à la Darwin, manchmal nur noch verschärft durch den Rassenfaktor. Darum hat sich die Mehrheit, die keine Eier hat, diese ganzen Regierungen, Polizeitrupps und Republiken einfallen lassen, um sich diese natürlichen Demütigungen zu ersparen.

Früher war das Hotel ganz okay. Hohe Decken, ein kräftiger Gebäudekasten wie ein guter Schädel. Doch in den Jahren der New Yorker Rezession kam die Stadt vor die Hunde und verwahrloste. Die Häuser wurden nicht renoviert. Und so, nicht weit vom Lincoln Center, zwei Schritte vom guten Ansonia, wo einst die großen Musiker, ja, die Brüder Gershwin lebten, drei Blocks vom Dakota entfernt, wo sich John Lennon, ohne von seiner Zukunft zu wissen, einquartierte ― dort also existierte so was wie das Embassy. Es schlief einen halben Tag lang und amüsierte sich nachts. Aufgetakelte Pimps mit Brillantklunkern an den dicken Fingern führten ihr Fett in der Halle spazieren. Pushers, die auf den Fensterbänken ihre Proben von Heroin und von anderem für die Einwohner notwendigen Zeugs in winzigen Plastiktütchen ausbreiteten, hopsten um ihre Ware herum. Ein Lahmer namens Baretta, immer im tadellos weißen Anzug, führte seinen schwarzen Pudel mit einem gefakten Brillanthalsband aus. Schwarze Huren mit schweren Vorbauten eilten von der Arbeit nach Hause. Der Manager Campbell öffnete hinter seinem Schalter eine Flasche Bier, die zwanzigste oder dreißigste.

Einmal im Monat wurde die Wäsche gewechselt, wenn wir darauf bestanden. Wenn nicht, dann nicht. Und wenn schon, in hundertsechzig Dollar ist es nun wirklich nicht drin, die Wäsche jeden Tag zu wechseln, oder? Die Wäsche war altersgrau. Ein zerrissener Überzug aus ehemals blutrotem Rips bedeckte mein Bett. Besser, man roch nicht dran, denn an verschiedenen Stellen konnte man die verschiedensten Gerüche aus der Vergangenheit ausmachen: Eine Ecke stank klar nach Scheiße, eine andere nach Kotze, noch eine ― nach etwas erstaunlich Lebendigem, etwas eklig Beißendem. In meiner ganzen Zeit im Embassy ist dieser Geruch nicht verschwunden. Jan Slobin erklärte ich, es sei der Geruch einer Fotze, weil die Hure, die vor mir in der 1026 wohnte, nach jedem Fick ihre Fotze mit eben dieser Ecke des Überzugs abzuwischen pflegte. »Unbewusst, Jan«, sagte ich, »eben wie ein Rüde seine Pfote hebt, um zu pissen.« Zugegeben, der Scherz war grob und dreckig, doch Slobin gefiel's, er platzte los und roch voller Ekel an dem Überzug. Ehrlich gesagt, ich hatte keine Ahnung, wer in der 1026 vor mir gewohnt hatte, eine Hure oder nicht, doch meine Annahme war zumindest wahrscheinlich, denn im Hotel lebte eine Menge schwarzer Huren. »Gearbeitet« haben sie woanders, außerhalb, aber auch im Hotel haben sie sich was dazuverdient. Ich habe oft unsere Jungs gesehen, die an Rosalies Tür klopften. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, Money wurde durchgesteckt, die Kette abgenommen, und der Fotzenkandidat erhielt Zutritt.

Zurück zum Überzug aus blutrotem Rips. Natürlich stellt sich die Frage: Wieso habe ich ihn nicht selbst bei Laundromat gewaschen? Die Antwort ist: Na, weil ich mich damals in einer asozialen Gemütsverfassung befand. Der Hass auf die Gesellschaft, die mich in den existenziellen Abgrund getrieben hatte, war so stark, dass ich alle Verfallszeichen, einen ekligen Überzug zum Beispiel, als Auszeichnung empfand. Wie ein Jude seinen gelben Stern. Und wenn ich ihn mal nicht wollte, habe ich ihn eben auf den Boden geschmissen. Ich war ja noch der Besitzer von zwei sumpffarbenen Decken mit dem schwarzen Aufdruck »US Army«.

Und so lebte ich im Embassy. Von meinen alten Bekannten kreuzte nur noch Jan bei mir auf, und mein einziger enger Freund war in dieser Zeit mein Fernseher Adventurer. Ich denke an seinen verstaubten kleinen grauen Plastikkörper wie an den Körper eines Freundes. Eine Schramme auf der Stirn über dem Bildschirmgesicht, scharfe Runzelsprünge unter dem Kinn. Er teilte schlimme Alkoholexzesse und die Schrecken der Einsamkeit mit mir. In seiner Gesellschaft lächelte ich, schrie, weinte, tanzte Tango, Walzer, Rock 'n' Roll. Angezogen, halb nackt, nackt. Was denkt ihr denn, was einsame Typen in den Hotelzimmern so tun? Na eben das, was ich tat: Sie pflegen ihren Wahnsinn. Und jeder tut es auf seine Art, je nach Temperament und Intellekt. Nach einer Gallone Wein in der Einsamkeit hielt ich feurige Reden in einem unzusammenhängenden Russisch-Englisch-Kauderwelsch, Flüche vermischten sich mit Stöhnen. Der Adventurer hörte mir wohlgeneigt zu. Mein kleiner billiger Freund, für einen Zwanziger in einem vom Schicksal schon gezeichneten Zustand angeschafft, unterhielt er mich, wie er konnte. Er zeigte mir die Visage eines Senators, damit ich sie anspucken konnte. Er führte mir ekelhafte Middle-Class-Weiber vor, damit ich mir vorstellen konnte, wie ich ihnen ihre Seidenfummel runterreiße und sie auf ihre fetten Hintern trete. Nun ja, ich hasste eben die Gesellschaft in diesem Frühjahr.

Ich erzählte Jan Slobin von dem Dokumentarfilm über Mussolini auf dem Balkon, von den glücklichen Gesichtern der Faschisten. Slobin wusste genauso wenig wie ich über Mussolini. In unserer UdSSR wusste man nur, dass der Duce, wie auch Hitler, an Größenwahn krankte, dass er verrückt war. Und dass die italienischen Divisionen beschissen gegen uns gekämpft hatten. Natürlich war das Wort »Faschist« in der Sowjetunion absolut negativ. Jan sagte, er fühle sich wie ein Faschist, nur sei Mussolini aus seinem Scheiß rausgekrochen, während wir hier in unserem Scheiß weiter sitzen und da niemals rauskriechen würden. Dass jetzt andere Zeiten seien und dass solche Leute wie wir, mit Temperament, halt nichts zu erwarten hätten. Dass heutzutage nur unbegabter und schlapper Pöbel was zu erwarten hätte, die Typen also, die in der Schule brav gelernt und auf ihre Eltern gehört hätten. Ich sagte, dass ich zu Barnes & Noble gehen und ein Buch über Mussolini kaufen wollte. Dass seine Visage und seine kräftigen Hände mich interessieren würden. Dass er nicht verrückt wäre.

»Die verheimlichen uns was, Jan«, sagte ich. »Damals in der Sowjetunion und hier genauso. Ich will wissen, was.«

»Bücher sind teuer«, meinte Jan. »Dein Mussolini wird wohl einen Zehner oder sogar fünfzehn Dollar kosten. Hast du etwa zu viel davon? Kauf dir lieber Schuhe.«

Ich sagte, dass Wissen unschätzbar wäre, eben eine wichtige Investition. Es täte mir leid, dass ich mich seinerzeit auf die Poesie konzentriert hätte. In der alten Geschichte würde ich mich noch mehr oder weniger auskennen, aber bei der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts wäre es bei mir aus.

Bei Barnes & Noble wunderte man sich sehr, dass so ein verwahrloster Kerl, der kaum ihre Sprache beherrschte, ein Buch über Mussolini suchte. Ein Typ mit Pickeln an den Ohren und Krawatte ging mit mir in die Geschichts-Abteilung und sah die Regale durch.

Doch hier gab's kein Buch über Mussolini. Dafür aber Bücher über den Zweiten Weltkrieg mit den schärfsten Fotos, extra Bücher über Panzer, überhaupt über die verschiedensten Waffen, über die Kriegsmarine verschiedener Länder, darunter auch der Italiener. Aber es gab keine einzige Biographie über den Mann im schwarzen Hemd ― mit mächtigen Pranken und Bartstoppeln wie bei einem Eber.

»Sind Sie Italiener?«, fragte der Typ mit der Krawatte.

»Ja«, gestand ich.

»Wir haben auch eine italienische Abteilung. Vielleicht finden Sie dort eine Mussolina-Biographie«, schlug der Typ hilfsbereit vor. Die falsche Aussprache des Namens machte mir klar, dass hier nach Kochbüchern und Broschüren vom Typ »Wie will es die Frau?« größere Nachfrage herrschte. In die italienische Abteilung ging ich erst gar nicht, einen Scheiß hatte ich dort zu suchen.

Nach ein paar Tagen hartnäckiger Suche fand ich unweit von der 14. Straße ein neunundneunzig Cent billiges Werk eines gewissen B. Smith, das erst vor einem Jahr in London herausgegeben worden war. »Duce« hieß das Buch, es hatte vierhundert Seiten. Ich war sicher, dass die Lektüre die nächsten paar Monate beanspruchen würde. Bereits ein halbes Jahr schlug ich mich mit den »Erinnerungen an den kubanischen Bürgerkrieg« von Che Guevara und der »Philosophie von Andy Warhol« rum. Nimmt man noch den »Duce« dazu, ist das Porträt des Lesers komplett. Ein Mensch mit spezifischen Interessen, nicht wahr? »Die Philosophie von Andy Warhol« harmonierte eigentlich wenig mit Che Guevara und Mussolini, doch bei genauerer Betrachtung kommt man zu dem Schluss, dass der deklassierte sowjetische Kerl, der in einem Hotel mit Schwarzen lebte, in Warhol wohl einen starken Tschechen sah. Einen Tschechen, der sich durch Talent und große Energie aus seinem Emigrantenghetto befreit hatte und gewissermaßen zum Duce geworden war, zunächst der Pop-Art und dann der ganzen modernen Kunst.

In mein Hotel kam ich gegen Abend. Mit dem Buch unterm Arm schritt ich den Korridor entlang. Es ― ein Mensch oder ein Hund, das konnte ich nicht eruieren ― hatte wieder den Korridor vollgeschissen. Der Gestank war höllisch. Ich hatte den Verdacht, dass der Hund des alten Chinesen Durchfall hatte. Ich hatte ebenfalls den Verdacht, dass der Chinese ein kleiner Ex-Gangster war, der sich nun zur Ruhe gesetzt hatte. Meistens glucken die Chinesen in einer Sippe zusammen. Anscheinend hatte der alte gelbe Mann gute Gründe, auf die Gesellschaft von seinesgleichen zu verzichten. In unserem Hotel versteckte sich seinerzeit der bekannte sowjetische Spion Oberst Abel und lebte so vor sich hin. Hier wurde er auch gefasst. Also war der Chinese, wenn mein Verdacht stimmte, nicht der Erste, der im Embassy untergetaucht war. Campbell war dabei, als Abel vom FBI festgenommen wurde. Damals war er schon Manager, der Gute. Zu dieser Zeit war das Embassy noch nicht von Schwarzen okkupiert, aber es war schon runtergekommen.

Ich nahm ein Lexikon, legte mich auf den Boden und schlug den »Duce« auf. Auf der alten Logiercouch konnte man gut auf dem Rücken und in der Seitenlage schlafen. Aber auf dem Bauch liegend zu lesen war äußerst unbequem. Denn der Bauch brach in die Matratze ein, und der Rücken bog sich widernatürlich durch. In Jeans und einem schwarzen Pullover lag ich also auf dem durchgetretenen roten Parkett und rollte mich bei Bedarf vom »Duce« zum Wörterbuch. Nach anderthalb Stunden wusste ich schon, dass Mussolinis Mutter Rosa sehr religiös gewesen war, während Papa Alessandro, ein Schmied, Halbsozialist und Halbanarchist, der Familie beim Essen Auszüge aus dem »Kapital« vorlas. Außerdem stand Papa auf die Damenwelt und war dem Alkohol nicht abgeneigt. Alessandro beeinflusste seinen Sohn wie kein Zweiter.

Drei Schläge gegen die Tür. »Ken?«

»Get out, Eddi. In der 1037 brennt's.«

Ich sprang auf. Im Korridor roch es verbrannt, in den Ecken hingen, klar sichtbar wie Spinnweben, Rauchfäden. Vor der 1037 hatten sich schon viele von uns versammelt. Rosalie und Basuka in voller Ausgehmontur, die mächtigen Hintern von Kunstseide umspannt ― die klebt ja am besten am Körper ―, absolut identische Überwürfe aus hellblauem Kunstpelz um die Schultern, die Absätze bohrten sich in den Teppich, knallrote Lippen. Eine Bande Teenager aus der neunten Etage, die eh immer nur abhingen, dann noch ein Dutzend schwarzer Fressen, darunter F-Man und sogar unser Chinese. Der alte Chinese galt hier als Weißer, obwohl sein Arschgesicht eigentlich eher grün war. Ken nannte ihn einen Arsch, und ich hatte diesen Standpunkt der schwarzen Mehrheit einfach übernommen. Sie mochten ihn halt nicht. Aber sie konnten ihn auch nicht loswerden. Kein Wunder, selbst die Mongolen konnten die Chinesen nicht loswerden.

Alle standen da und glotzten auf den Spalt zwischen dem Boden und der Tür zur 1037. Von dort stieg fetter schwarzer Rauch hoch. Campbell tauchte auf: Sonnenbrille eines alten Losers, Jeans, kariertes Hemd, ehemals blonde, jetzt graue Strähnen über der Stirn. Ein Schlüsselbund in der Hand. Hinter ihm der friedliche Mexikaner Peres, der zweite Manager, immer sehr engagiert. Er trug einen Feuerlöscher. Alle schrien fröhlich drauflos.

Campbell schloss die Tür auf. Sofort quollen uns aus dem Zimmer etliche Kubikmeter ätzenden Rauchs entgegen. Es war so, als hätte dort ein Lager mit Autoreifen gebrannt. Die tapferen Manager schritten in den Rauch hinein. Hustend sprangen sie gleich darauf aus dem Rauch wieder heraus.

»I am going to call the Fire Department«, sagte F-Man und drehte sich um.

»Bleib, wo du bist!«, schrie Campbell. »Ich musste schon für den letzten Brand eine fette Strafe an dein Fire Department zahlen. Das kriegen wir schon allein hin. Ist sowieso nur eine qualmende Matratze.«

»F-Man hat Recht«, sagte Ken leise zu mir. Aber da wir alle oder fast alle Campbell die Miete für viele Monate schuldeten, mussten auch die Schlauesten den Mund halten.

Campbell und Peres machten Taschentücher nass, bedeckten damit die Gesichter und gingen wieder in den Rauch. Einer von ihnen schlug das Fensterglas kaputt, und der Rauch zog aus dem Korridor weg. Sie rannten wieder raus, um Luft zu holen, zu spucken und zu husten, und nach dem zweiten Gang kehrten sie dann mit der unglückseligen Matratze wieder zurück. Aus dem schwarzen Loch im Bauch der Matratze stieg schwarzer und grauer Rauch. Die Matratze wurde im Trab auf die nächste Hintertreppe hinaus verfrachtet und reichlich mit Wasser übergossen. Wir, inklusive Rosalie und Basuka, drängten uns ebenfalls auf der Treppe.

»Was glotzt ihr so blöd«, fuhr uns Campbell an, »habt ihr nix zu tun? Und ihr, meine Schönen, verzieht euch auf die Straße, eure Kunden warten schon. Get outta here!« Campbell klatschte Basuka auf den Arsch.

Verwirrt gingen wir auseinander. Wir hatten tatsächlich nichts zu tun. Und so ein Brand ist immerhin eine Abwechslung, noch dazu eine kostenlose. Ken, ich, die Teenagerclique und F-Man ― wir hatten alle kein Geld. Wir waren die Volksmassen des Hotels. Und das Volk hat halt no Money. Money haben nur seriöse Menschen. Im Embassy erkannte man die seriösen Menschen an ihrer Kleidung. Seriöse Menschen waren Pimps oder ― oft in der gleichen Person ― Drug-Dealers. Nicht Pushers, die den ganzen Tag lang in der Hotelhalle mit kleinen Tütchen herumsprangen, sondern die Dealers, also die, die die Pushers mit Tütchen versorgten. Seriöse Menschen sprachen nicht einmal mit mir, Ken oder F-Man. Worüber auch? In meiner ganzen Zeit im Hotel sprach mich nur einmal nachts im Lift ein Pimp an. Er polierte mit dem Taschentuch seinen Diamanten am Finger. In dieser Nacht hatte ich meine besten Klamotten an. »Wenn du super Mädchen haben willst, komm in die 532.«

Ken fuhr in die Halle runter, ich kehrte zu meinem Mussolini zurück. 1901 schrieb Benito, genauso wie ich in diesem Alter, Gedichte und versuchte sie zu veröffentlichen. Voller Sentimentalität erinnerte ich mich, wie Witka Proutorow, Gott hab ihn selig, und Sascha Tischenko mein Werk in die Zeitung »Lenins Flagge« trugen, während ich auf der anderen Seite der Sumskaja-Straße wartete, im Schewtschenko-Park, mitten im Frühlingsgrün, schwitzend und aufgeregt. Das Gedicht, das ich anlässlich des 1. Mai-Feiertags geschrieben hatte ― ich war schon damals darauf aus, mein Talent zu verhökern ― hat die Komsomol-Zeitung abgelehnt. Gönnerhaft legten sie meinen Kumpels nahe: »Ihr Freund sollte erst mal Gedichte schreiben lernen«, und überreichten ihnen einen Zettel mit dem Titel des Buches von ― wenn ich mich nicht irre ― Matussowski: »Wie lerne ich Gedichte schreiben«. Diese bittere Niederlage ertränkten wir im Fusel irgendwo in den Büschen des Schewtschenko-Parks. Doch immerhin lebte ich in einer Stadt mit einer Million Einwohnern, in Charkow also, während Mussolini im Dorf Predappio aufwuchs. Im Sommer 1902, mit neunzehn, floh Mussolini in die Schweiz. Warum? Es gibt keine plausiblen Erklärungen für die Motive seiner Flucht. B. Smith äußerte ein paar tadelnde Worte gegenüber dem jungen Benito, der angeblich seine Familie in dem Moment im Stich gelassen hatte, als sein Vater Alessandro ins Gefängnis kam, und sich sogar erdreistete, seiner Mutter das Fahrgeld abzuschwatzen. Die Historiker, musste ich feststellen, erweisen sich immer dann als beschränkt, wenn es nicht mehr um ihr Professorenwissen, sondern um die Erfahrung des niederen Lebens geht. Ich fand es nur natürlich, dass ein junger Mann aus Predappio rein instinktiv in die Schweiz abhaut. Smith aber suchte nach einem Grund. Auch ich hatte im Frühjahr 1961 mein Fahrrad Borja Tschurilow verkauft und war einfach nach Noworossijsk gefahren. Allein.

In der Schweiz jobbte Benito als Bauarbeiter bei der Errichtung einer Schokoladenfabrik. Der blöde Historiker machte ihm Vorwürfe, dass er es nicht lange bei seinem ersten Job ausgehalten hatte. Scheißkerl, dich würde ich auch gerne mal als Bauarbeiter sehen, verehrter Smith, Professor aus Oxford, mal schauen, wie lang du es da aushältst. Ein lebendiger Verstand und ein temperamentvolles Herz werden immer darauf aus sein, dem Joch jeglicher Arbeitsverhältnisse zu entkommen. In meinem ersten Job ― als Bauarbeiter in einem Montagetrupp ― arbeitete ich vom Oktober 1960 bis Februar 1961. In der Pampa bei Charkow bauten wir die neue Halle einer Panzerfabrik. Im Steppenstaub und bei schrecklichem Frost. Egal, das Schlimmste war sowieso die Gesellschaft von den aggressiven Flachköpfen da. Ich blieb auf Seite 17 stecken, weil es dort einen Haufen unbekannter Wörter gab. So musste ich mich in das Wörterbuch vergraben, das allerdings manche Wörter gar nicht kannte.

Vom Kampf um die Wörter lenkte mich ein Geruch ab. Rauch. Ich schaute auf die Tür und stellte fest, dass träge dicke Fäden grauen Rauchs durch den Spalt ins Zimmer strömten. Ich riss die Tür auf und stand einer undurchdringlichen Rauchwand gegenüber. Irgendwo hörte man Türen knallen. Es brannte schon wieder.

Ich aber wurde ganz cool. Typisch, bei Gefahr bin ich oft kalt und analytisch. Ich schlug die Tür zu. Zog unter meinem Bett den Koffer mit Tagebüchern und Manuskripten hervor. Schaute auf die Uhr. Es war ein Uhr nachts. Ich zog meinen Ledermantel an. Machte ein schmutziges Hemd nass, das im Badezimmer rumlag. Nahm meinen weißen Anzug, der mit anderen Sachen unter einem Stück Stoff an der Tür hing. Bedeckte den Kopf mit dem Hemd, holte tief Luft und ging in den Rauch. Schloss die Tür ab. Und rannte los, die Hand immer an der Wand.

Ich versuchte erst gar nicht, etwas in dem Rauch zu erspähen. In diesem Gebäudeteil war die Tür zur Feuertreppe die vierte nach Kens Zimmer. Ich stürzte ins Treppenhaus. Ich hatte noch nicht viel Rauch geschluckt, nur von meinem nassen Kopf flössen klebrige Ströme über Schultern und Rücken. Im Treppenhaus brannte kein Licht, aber man konnte atmen. Nach ein paar Stockwerken wurde die Luft wieder sauber.

Unten in der Halle lärmten inmitten ihrer Koffer, Reisetaschen und Plastiktüten die anderen Ausgebrannten sowie mitfühlende Schaulustige. Schwarze lachen wahrscheinlich sogar aus Angst. Die Halle stöhnte vor Grölen. Nur ein Säugling in den Armen seiner minderjährigen Mutter heulte. An den Telefonautomaten tief in der Halle johlten die telefonierenden Typen, sie krümmten sich vor Lachen und hielten sich die Bäuche; an der Rezeption hatten sich in aufgekratzter Stimmung wie an einer Bartheke mit dem Rücken zu Campbell drei Pimps zusammengefunden, dazu noch die Pushers, die schnell von den Fensterbänken ihre Warenmuster eingesammelt hatten. Logisch, man erwartete ja die Feuerwehr, und natürlich die Bullen. »Ha-ha, man! Fire!« Baretta, der einen Pudel an der Leine hielt, dessen Halsband mit geschliffenen Glasstücken blitzte, grüßte einen Freund: »Fire, man, hey, fire!«

In dieser Lebensphase hatte ich mit meiner Vergangenheit nichts mehr am Hut. Ich war ein Bewohner des Embassy und kein Russe mehr, kein Sohn eines sowjetischen Offiziers, kein Enkel eines sowjetischen Bauern. Erst Jahre später fiel mir wieder ein, dass ich ein Russe bin, dass mein Papa sein ganzes Leben lang in einer NKWD-Uniformhose mit einem blauen Streifen rumlief. In diesen Jahren aber war ich nur ich, wie meine Nachbarn hatte ich nichts zu verlieren. Das Hotel brannte, prima, soll doch mit dem Hotel dieses ganze Leben abfackeln! Meinetwegen kann ganz New York in Flammen aufgehen!

Endlich hatte ich Ken entdeckt und stürzte mich mit meinem Koffer und dem weißen Anzug auf ihn, fröhlich, mit nassem Kopf: »Ha-ha, man! Fire!«

Er haute seine Hand auf meine, wir klatschten die Handflächen gegeneinander.

»Yeah, man, fire!« Ken hatte bereits getrunken, das sah man an seinen öligen Lippen. »You look ridiculous, Eddi«, grölte er.

»Sure«, grölte ich zurück. »Ist doch fire, man, fire!«

Wie Mastodone, in Elefantenstiefeln, mit Nieten und in Helmen, brachen ganze Scharen von Feuerwehrleuten ein, ihre Schläuche und das ganze höllische Zubehör hinter sich herschleppend. Einige von ihnen verteilten sich auf die drei Treppen, die anderen schnappten sich den Lift, nachdem sie ihn von einer protestierenden Clique befreit hatten, Jungs und Mädels, die Gott weiß wohin damit fahren wollten, vielleicht sogar in die brennende 10. Etage. Das Hotel platzte vor Lachen.

Gegen zwei Uhr morgens trauten sich die ersten Gruppen von uns wieder schüchtern auf ihre Etagen. Trotz des strengen Verbots der Feuerwehrleute. Drei Zimmer klafften mit ausgebrannten schwarzen Löchern statt der Türen, der Korridor war mit Wasser überschwemmt, die Feuerwehrleute schleppten das verbrannte, feuchte, noch qualmende Mobiliar auf die Treppen hinaus. Unsere Zimmer, meins und Kens, waren vom Brand verschont geblieben, sie lagen zwar nicht weit von der 1037, aber in einem anderen Teil des Korridors. In der 1037 schwelte aber noch ein kleiner Brandherd vor sich hin. Aus den verschiedenen Treppenhäusern lugten, zusammengeklumpt, die Halbwüchsigen vom Stock tiefer und unsere Etagenbewohner hervor: Ken, ich, der Chinese, F-Man, unsere Mädchen und die ganze Familie von Cassius. (Manchmal saß seine Frau mit drei Kindern vor der Tür der 1051, dann wusste jeder, dass Cassius sich wieder besoffen und die Familie rausgejagt hatte, um seine dreizehnjährige Tochter zu vögeln. Das geschah einmal in der Woche. Aus dem banalen Inzest machten weder Cassius noch die Frau und seine Tochter eine Tragödie.)

Die Feuerwehrleute waren von unserem Grölen und unseren Bemerkungen genervt. Ab und an, während sie die Möbel herauswarfen und die Türreste mit dem Beil zerhackten, brüllten sie uns an: »Verpisst euch, people, macht, dass ihr nach unten kommt.«

»Wir wohnen hier, Leute«, schrien wir sie an. »Wohin sollen wir gehen. We belong here. Danke, Uncle Sam! Ha-ha-ha…«

Das Feuer, hieß es, war gelöscht. Doch plötzlich sagte einer, dass auf der Korridorwand, die vom Brand eigentlich gar nicht berührt worden war, die Farbe weiterhin Bläschen werfen würde. Da der Manager nicht in der Nähe war, hauten die Feuerwehrleute ohne Umschweife mit ihrem Beil gegen die Tür des angrenzenden Zimmers. Sie stürzten rein. Im Bett von 1043 ruhte im Anzug der Zimmerbewohner, still und friedlich brannte das Paneel um ihn herum.

Nass, hustend, sich die Augen reibend, kam er heraus: halb Schwarzer, halb Chinese oder Koreaner, Schlitzaugen in der schwarzen Visage, glatte Haare. Wir klatschten spontan Beifall. »What's happening?«, fragte der Mann. Er griff nach der Flasche in einer Papiertüte, die man ihm entgegenhielt. »What's happening?« Er nippte an der Flasche und hustete auf. Langsam schien er zu erwachen: »Looks like fire to me…«

Die Jugendlichen schrien und sprangen vor Begeisterung.

»Super, der hat auch schon gerafft, dass es hier brennt!« F-Man guckte in die Runde. »Seit zwei Stunden schläft er mitten im Rauch, im Lärm, im Feuer, die Feuerwehrleute haben eine Wand zu seinem Zimmer halb durchgebrochen, die Tür durchgehauen ― und er ist erst aufgewacht, als sie ihn mit Wasser vollgespritzt haben.«

Campbell tauchte auf. Er verjagte uns, offensichtlich darüber verärgert, dass wir alle wussten, dass er allein an diesem zweiten Brand schuld war. Ich legte mich schlafen. Die anderen dagegen amüsierten sich bis zum Morgen.

Im Hof ist es still. Elf Uhr morgens ist die ruhigste Zeit im Embassy. In den beiden Innenhöfen spricht man nicht von einem Fenster zum anderen, die Bewohner schlafen. Genug geschrien, genug getanzt, genug gesoffen und gefickt. Nur einmal schrickt ein Mann nervös auf, der gestern besonders lange in der Bar gesessen hat. Er macht sich an den prächtigen schwarzen Hintern seiner Freundin ran, sie wird aufgeweckt, schreit auf, lacht, atmet schwer. Die Fenster hier sind meistens offen. Hier wird gut geheizt, das alte Hotel faucht mit seinen Heizkörpern, das Gestöhne des Pärchens wird im Schacht des Innenhofs aufgenommen und verstärkt, alle können es hören. Oder Möwen, unwirklich in dieser steinernen Stadt, schreien über dem Hof und picken den Müll vom Boden auf. Ein letztes Stöhnen des Paares im schweren Alkoholsex, die Möwen fliegen weg, es ist wieder still. Das Hotel schläft, von der schweren Brandung des Broadways umspült.

Ich aber war schon wach und las meinen Mussolini.

Mr. Smith war streng zu ihm, wie ein Schuldirektor zu einem schlechten Schüler. »Das böse Ende« ― Benitos Leiche, an den Beinen am Piazzale Loreto in Mailand aufgehängt ― gab dem Oxforder Professor das Recht, den Neunzehnjährigen, der durch die Schweiz vagabundierte, zu belehren. »Genauso wie Hitler in Wien mochte er keine schwere Arbeit, für ein festes Arbeitsverhältnis fehlte ihm die Willenskraft.«

»Für ein festes Arbeitsverhältnis war er nicht dumm genug!«, rief ich aus und stieg aus dem Bett. Man hatte mich zur Arbeitsbeschaffungsstelle beim Weifare Center in der 14. Straße bestellt. Ich kannte bereits das ganze Szenario: Mein Sachbearbeiter würde versuchen, mich zu überzeugen, eine Arbeit zu finden, und mir androhen, die Hilfe zu streichen; und ich müsste möglichst erbärmlich und dämlich erscheinen. Ich probte vor dem Spiegel im Bad den nötigen Gesichtsausdruck und sperrte den Mund auf. Als vorbereitende Maßname hatte ich mich schon einige Tage lang nicht rasiert, mein dünnes tatarisches Bärtchen unter der Nase und an der Spitze des Kinns sah wie Schmutz aus. Super, richtig widerlich, also wird mich auch der Sachbearbeiter widerlich finden. Mein normales Outfit ― saubere Jeans, violettes Samtjackett ― würde zwar nicht bedeuten, dass mein Sachbearbeiter mir die Hilfe streicht, das entscheidet eine Kommission. Aber er könnte mich mit einem Bericht bei der Kommission anschwärzen, und nach einem halben Jahr würde mich diese ganze Scheißmaschinerie aus den Reihen der Begünstigten streichen. Besser also den Sachbearbeiter erst gar nicht verwirren: Eine arme Sau muss aussehen wie eine arme Sau. Mussolini bettelte in der Schweiz, »wendete Gewalt an, um an seine Nahrung zu kommen«, wie Smith, auf welcher Grundlage auch immer, behauptete, ― doch diese Methode zieht heute nicht mehr. Ein armer Tropf, der einem Reichen am Springbrunnen vor dem Lincoln Center an die Kehle geht, wandert heute ins Gefängnis. Um zu überleben, haben die Menschen in den Wohlfahrtsstaaten gelernt, sich zu verstellen. Bereits angezogen, warf ich einen letzten Blick ins Buch: »Oft suchte er über Nacht Obdachlosenheime auf, doch die anderen Bettler dort ertrug er nicht. Einmal fand er nachts Unterschlupf in einem Verschlag unter der Grand Pont in Lausanne. Er war noch nicht lange in der Schweiz, doch man hatte ihn bereits wegen Vagabundiererei festgenommen. Der Polizeibericht vermerkt, er sei krank und der Arbeit abgeneigt gewesen.« Ich nahm das Buch mit.

Normalerweise berühren sich die Große Geschichte und das Leben von Asylbewohnern oder Hotels à la Embassy nicht. Die Große Geschichte wird von Musterschülern und von Honoratioren gemacht ― Abgeordneten, Professoren, Ministern und Generälen. Sie entsteht als Folge von Sitzungen, Beschlüssen, Abstimmungen in den gut beleuchteten Sälen der Paläste. Bei den Massenszenen sind Ehrengarden in Militäruniformen der vergangenen Jahrhunderte zugelassen, Stenographistinnen, Kuriere, Lakaien in weißen Handschuhen. Deswegen durchzog eine schlecht verhohlene Verachtung Smiths Worte, als er eingestehen musste, manchmal würde sich die Große Geschichte auch unter die Grand Pont in Lausanne oder in ein Nachtasyl verirren. So kanzelte er den jungen Italiener nach einem bürgerlichen Moralkodex ab.

Als ich den Broadway in Richtung Bushaltestelle überquerte, stellte ich mir den Oxforder Professor vor, wie man ihn ins Embassy zwangseingewiesen hätte. Ich stellte mir vor, wie F-Man sich an den Professor ranrobbt und böse die Augen rollend sagt: »Gimme a ten Dollar bill, man, wenn du die Nacht überleben willst.« Smith, grün angelaufen, der Angstschweiß tropft ihm von der Nase, würde in seinen Taschen nach einem Zehner wühlen. Am nächsten Morgen würde ihn F-Man wieder in der Halle abpassen, ihn mit seinem Wanst wie einem prallen Sack an die Wand pressen. Nach Fett und Bier stinkend, würde er brabbeln: »Gib mir a ten Dollar bill, man, wenn du den Tag überleben willst.« Dieses Spiel, Professor, kannst du nur beenden, wenn die Entschlossenheit in deinen Augen aufblitzt, F-Man ein Messer in den Bauch zu stoßen. Denn F-Man ist ein Feigling, einmal haben ihn in meiner Anwesenheit die Teenager aus der neunten Etage verprügelt ― aber das würdest du ja nicht wissen. F-Man weiß, wie man seine Backen aufbläst, die Lippen nach außen stülpt, die Stimme senkt, um einen Weißen weich zu klopfen ― doch eigentlich ist er einfach ein fetter Schakal, Erpresser und Feigling. Für dich würde er immer der Zyklop Polyphemos bleiben.

Bei der Wohlfahrt in der 14. Straße stank es wie in einem Asylheim. Klar, die Kunden wurden um neun reingelassen und um sechs rausgejagt, und in der Zwischenzeit verpesteten sie die Luft.

Der bleiche Inspektor mit den runzligen Backen, die von einer schuppenden Hautkrankheit befallen waren, sah das Buch auf meinen Knien.

»Darf ich? Mussolini… Liest du das?«

»Langsam. Um Englisch zu lernen. Sehr langsam.«

Es war wohl ein Fehler, dass ich das Buch mitgenommen hatte. Der Hauptgrund, warum ich Sozialhilfe bezog, waren meine mangelnden Englisch-Kenntnisse.

Der Inspektor winkte mit dem Buch seinem Kollegen am Nachbartisch zu.

»Guck dir das an, Jerry. Die machen jetzt Propaganda für Faschisten. Fucking publishing business. Für Kohle verhökern die noch ihre eigene Mutter. Denen geht am Arsch vorbei, was solche Bücher für eine Wirkung haben können.«

Ich hätte dem Inspektor sagen wollen, dass das auf neunundneunzig Cent runtergesetzte Buch »Duce« kein Schwein interessierte. Denn als ich neulich an dem Geschäft wieder vorbeiging, sah ich, dass das Buch noch mal runtergesetzt worden war, auf neunundsiebzig Cent. Doch ich schwieg.

»Do you like that book?«, fragte der Inspektor.

»Keine Ahnung. Er war Landstreicher in der Schweiz. Hat in Asylen übernachtet. Klingt interessant.«

»Eines der größten Arschlöcher der modernen Geschichte!«, schrie der Inspektor. Plötzlich hielt er sich am Schreibtisch fest und fuhr mit seinem Stuhl um die Ecke. Flugs war er neben mir, fast stieß er mit seinen Knien gegen mich.

»Kann sein«, sagte ich möglichst gleichgültig. »Aber in Italien, wo ich vier Monate lang gelebt habe, haben mir die einfachen Leute gesagt, dass er Häuser für die Arbeiter gebaut hat, den Leuten Brot und Arbeit gegeben hat.« Wenn Mussolini ein Arschloch für meinen Inspektor war, musste das noch nicht heißen, dass ihn jeder für ein Arschloch hielt.

Der Inspektor fuhr auf seinem Stuhl an seinen angestammten Platz zurück.

»Ich sag's dir, Jerry, irgendwann werden wir hier in den United States unseren Hitler oder Mussolini haben. Der Pöbel dazu ist ja inzwischen da. Die warten doch alle nur auf ein Zeichen. Bei der nächsten Wirtschaftskrise kommen die alle aus ihren Weifare Hotels auf die Straße gekrochen.« Dabei schielte er so auf mich, als ob auch ich vorhätte, beim Ausbruch der Wirtschaftskrise aus meinem Welfare Hotel auf die Straße zu kriechen. Er schleuderte mir mein Buch entgegen. »Suchst du Arbeit?«

»Sure«, sagte ich schlapp. »Aber Sie wissen doch, die Depression. Keine Arbeit, und schon gar nicht…« Ich wollte noch hinzufügen: »…für jemanden, der kein Englisch kann.« Doch ich brach den Satz ab.

»Ich weiß, ich weiß.«

Das Gespräch nahm seinen normalen Verlauf. Mister Limonow musste einmal in drei Monaten erscheinen. Dann konnte der Inspektor einen Vermerk in seine Akte machen. Gerade hatte die New York Times einen Artikel über »Wohlfahrtsgelder« gebracht, der enthüllte, dass Amerika die arbeitenden Idioten aus den nationalen Minderheiten mit zwei fünfzig entlohnte, auf diese Weise solche wie mich unterstützte und sogar mit Gewinn. Also konnte sich der Inspektor nicht einmal demagogisch darüber auslassen, dass wir ihnen ihre Steuergelder wegnahmen.

Zwanzig Minuten lang verfassten wir einträchtig ein gefaktes Papier. Ich nannte ihm die Firmen, bei denen ich angeblich in den letzten Wochen auf Arbeitssuche gewesen war. Er schrieb unablässig, über meine Akte gebeugt, ohne nachzufragen. Vielleicht fügte er noch einige Organisationen aus eigenem Antrieb hinzu.

Auf einer Bank draußen, mitten auf dem Broadway, saß, halb betrunken und böse, Jan. Er wartete mit einer Flasche Wodka Absolut auf mich. Er kam jetzt immer in mein Hotel, um mit mir zu saufen und um Rosalie zu ficken. Früher hatte er sich die Nutten nur von der Straße geholt. Doch jetzt hatte ich ihm den einfachen Trick mit dem Klopfen an der Tür erzählt und dem Durchstecken von Geldscheinen.

Wir fuhren nach oben. Im Korridor neben dem Lift stand aus irgendeinem Grund eine Kommode. Wir hievten sie hoch und trugen sie fort. Ich hatte bei mir in der 1026 auch so eine, aber meine Habe hatte sich unlängst vermehrt. Ich bekam ein paar Kisten mit Hemden, Jacketts und Hosen geschenkt. Genauer gesagt, der Erbe eines Alten, für den ich als Lastträger bei Beautiful Moving gejobbt hatte, wollte die Klamotten entsorgen, und ich hatte sie aus dem Müllwagen gerettet. Manchmal streifte ich einen schweren schwarzen Anzug über, dazu einen pompösen Regenmantel, und dermaßen maskiert drehte ich wie ein Spion auf dem Broadway meine Ehrenrunde. Bis zur 42. Straße und zurück.

»Mann, ist die schwer, Scheiße. Voll mit Farbe überzogen, wie gepanzert«, fluchte Jan, als wir die Kommode in mein Zimmer trugen. »Was ist, wieso schleppst du ewig dieses bepisste Buch mit dir rum, schläfst du jetzt auch schon mit Mussolini?« Selbst das Nullgewicht des Buches, das ich auf die Kommode gelegt hatte, störte ihn.

»Ich war heute bei der Job-Abteilung von der Welfare. Da musst du immer ewig warten, mindestens eine Stunde, was soll ich da machen? Und dann erinnert mich so vieles in der Jugend des Duce an meine Zeit in Charkow.«

»Was du nicht alles findest.«

Jan, der sich stolz einen Antisemiten nannte, respektierte mich irgendwie. Erstens, weil ich Russe war. Dann, weil ich als einziger Weißer in einem Hotel mit Schwarzen lebte. Und außerdem, weil ich ein paar Artikel in Russkoje delo publiziert hatte, bevor man mich dort rausschmiss. Vielleicht auch, weil ich nicht so mürrisch und hysterisch war wie er.

»Sag mal, glaubst du eigentlich nicht, dass der Faschismus wiederkommt?«

»Eine schwere Frage stellen Sie mir da, Genosse.«

»Hör auf mit dem Scheiß. Ich frag dich im Ernst. Hier ist doch kein Schwein, nur du, ich und der Fernseher Adventurer. Was denkst du über die Zukunft des Faschismus? Ich gebe es ganz offen zu, ich bin ein Faschist. Also, mental gesehen, ich bin nicht in irgendeiner Partei. Ich bin dafür, dass die wirklich starken Männer die Welt regieren und nicht dieser ganze Dreck, der nur am richtigen Ort geboren wurde und die angesagten Universitäten besucht hat. Ich bin dafür, dass der Faschismus wiederkommt.«

»Kennst du den über den Elefanten? Am Elefantenkäfig steht ein Besucher und liest das Schild. »Der Elefant isst am Tag 50 kg Möhren, 50 kg Kohl, 200 kg Heu.« Der Wärter kommt vorbei. Der Besucher fragt ihn: >Stimmt es, dass ein Elefant so viel essen kann?« ― »Können tät er's schon, aber keiner hat ihn dürfen lassen.««

Jan streifte die Schuhe ab und rieb eine Fußsohle gegen die andere. Seine Socken waren zerrissen. Nicht weil er arm war, sondern aus Schlampigkeit.

»Was willst du eigentlich damit sagen? Kapier ich nicht.«

»Du kannst dich noch so sehr für einen Faschisten halten, aber was bringt dir das? Das System arbeitet darauf hin, dich zu unterdrücken, nicht deine Gedanken. Das funktioniert ja auch: Du haust mit noch drei armen Schluckern irgendwo da oben, Uptown, in einer Bruchbude, kassierst, wie dein ergebener Diener« ― ich klopfte mir auf die Brust ― »Sozialhilfe, verhökerst Schallplatten, das Geld reicht gerade für Wodka und manchmal für Rosalies schwarzes Loch. Klar, dass du viel fressen kannst, wie dieser Elefant da. Du bist dreißig, das reicht noch für viele Weiber und Champagnerflaschen. Und du hast genug Wut und Hysterie in dir, um einer Menge reicher Bewohner der Park Avenue und der Fifth Avenue an die Gurgel zu gehen. Aber keiner wird dich das je dürfen lassen. Guck doch in den Spiegel. Halb betrunken, das Haar klebt an der Stirn, solche wie du werden in den Vorabendserien als kleine Bösewichte aus der Provinz vorgeführt, die dann auf dem elektrischen Stuhl enden.« Ich deutete auf den Adventurer als meinen Zeugen.

»Guck dich doch selbst an«, brummte er, aber ich wusste, dass er nicht beleidigt war.

Er kam extra zu mir wegen solcher Gespräche. Wodka konnte er auch mit seinen allein stehenden Nachbarn trinken. Auch ich brauchte diese Gespräche. Er war für mich das extreme Exemplar eines Menschen, der ich werden könnte, doch nicht werden wollte. Ohne Charme, widerlich und gefährlich, wie ein Stück altes Fensterglas. Doch gleichzeitig hatte Slobin die gierigen, blutrünstigen Träume eines Wolfes, und nicht eines Haustieres.

»Stimmt, auch nur ein Stück Scheiße«, gab ich zu. »Aber ich bin nicht so verbittert wie du. Immerhin habe ich noch Humor. Deswegen kann ich auch mit den Balletttunten.« Ich deutete mit dem Kopf in Richtung Fenster. Dort, auf der Columbus Avenue, sah man die Wohnung des Tänzers Ljoscha Kranz und von Wolodja, dem Ballettkritiker. »Aber du, böse, wie du bist, kannst diese Balletttunten nicht ab.«

Ich hatte erreicht, was ich wollte: Er prustete los. So musste ich mir wenigstens nicht seine Storys anhören, wie er zum Beispiel heute früh schon wieder die reiche Nutte im Haus gegenüber überfallen wollte, als sie die 93. Straße entlang lief, und wie er ihr folgte; wie sie nur ein leichtes Kleid anhatte, weil es schon warm war, und er ihren Slip sehen konnte. Ich holte aus meinem winzigen Kühlschrank Radieschen, Wurst und Brot.

»Hast du nichts Vernünftiges?«

»Hühnersuppe.«

»Kohlsuppe kochst du wohl nicht mehr?«, fragte er hämisch. Ich hatte ihm ein paar Kapitel aus meinem Buch vorgelesen, als ich noch im Winslow lebte. Das erste Kapitel begann damit, dass ich Schtschi kochte.

»Die Schtschi-Epoche ist zu Ende. Ich lebe jetzt in der Epoche der Hühnersuppen.«

»Stimmt. Wenn du die ganze Zeit Schtschi löffelst, kriegst du ein Loch im Magen. Mit einem Geschwür lebt es sich beschissen. Guck mich an.«

»Du hast kein Geschwür, du bist eins«, sagte ich.

»Ich mach dir nichts vor.« Er war beleidigt.

»Sorry, blöder Witz. Du weißt, ich denke manchmal, ich werde noch so wie du, aber…«

»Wie meinst du das denn? Ich wünsche keinem, in meiner Lage zu sein. Aber ich stehe zu meinen Macken.« Jan prustete los.

Ich setzte mich aufs Bett. Den einzigen Stuhl hatte er besetzt.

»Dieser schwule Wolodja«, nickte ich wieder zum Fenster hin, als riefe ich ihn zum Zeugen auf, »nennt mich einen Mensch aus dem Untergrund. Der müsste dich mal sehen. Dich würde er eine Bestie nennen.«

»Was für ein Wolodja? Der Kumpel von Baryschnikow? Der sich jetzt Makow statt Schmakow nennt? So ein Zwerg mit einem dicken Arsch? Jude?«

»Der sollte mal deine Beschreibung hören.«

»Scheiß drauf. Ich sage, was ich sehe.«

»Der ist okay. Ich krieg immer was zu essen, wenn ich bei ihm bin. Manchmal steckt er mir einen Fünfer oder einen Zwanziger zu. Klar, er ist launisch und cholerisch, aber wer ist das nicht?«

»Ein Zwanziger ist doch nix für den. Der hat doch für sein Buch über diesen Heini Baryschnikow ganz dick abkassiert.«

»Typisch Faschist, Jan«, sagte ich, »du hasst alle, die Erfolg haben, und vor allem deinesgleichen, die Emigranten, stimmt's?«

»Du kannst ihn doch selbst nicht ausstehen, diesen Tänzer und Arschlecker. Du hast es doch selbst oft genug gesagt.«

Er hatte Recht. Er hatte es nicht vergessen. Ich hatte das gesagt.

Plötzlich kam ein Windstoß. Eine Fensterhälfte, die bislang geschlossen gewesen war, war aufgesprungen. Der kräftige Frühlingsduft wehte direkt aus dem Central Park herein. Nach frischen Blättern roch es, nach nassen Wolken, nach zertretenen Knospen.

»Einen feuchten Dreck, Eddi, werden wir erleben«, sagte Jan und grinste. »Einen feuchten Dreck.«

»Mach nicht alles madig. Guck, der Frühling ist da. Schnapp dir ein polnisches Mädchen, du musst doch nicht ständig Rosalie die Zwanziger in den Rachen werfen. Im Kulturzentrum auf der 26. gibt's seit neuestem viele polnische Mädchen.«

»Rosalie ist gut, weil sie sich für einen Zwanziger so hinstellt, wie du es ihr sagst. So eine polnische Nutte macht erst ein Riesentheater, bevor sie sich endlich ihrem Masochismus hingibt. Ich brauch das nicht, ich bin da eher konkret. Diese ganze Rumbalzerei ― das Gefieder spreizen, den Hahnenkamm aufstellen, ewig ins Restaurant marschieren, bis sie schließlich gnädigerweise die Beine breit macht ― das geht mir alles am Arsch vorbei.«

»Was willst du, so ist es nun mal. Man hält sich an die Regeln. Zuerst investiert man, dann wird der Gewinn abgezockt.«

»Ich hab mich nie daran gehalten. Aber dort…« Er zeigte in Richtung Fenster, doch ich verstand, dass er nicht den Central Park und nicht die Wohnung in der Columbus Avenue meinte, sondern unsere alte Heimat. »Dort hatte ich Kraft, eine magnetische Kraft.« Er überflog mein Zimmer mit einem Blick. »Ich habe sie alle betrachtet wie eine Schlange ihre Kaninchen. Und wenn ich einer die Hand auf den Arsch geklatscht habe, hat sie sofort gespürt, der Herr ist da, und sich mir zu Füßen geworfen. Ihren Masochismus hat sie sofort beim ersten Treffen rausgekehrt. Trete mich, trample auf mir herum, fick mich! Hier aber ist meine Kraft verschwunden.« Er schwieg kurz. »Verstehst du, hier merken sie, dass ich ein Niemand bin, dass keine Kraft in mir ist. Ich spreche jetzt nicht von der sexuellen Kraft, verstehst du, sondern von dieser gesamten, biologischen. Dort war ich ein großes männliches Tier. Hier, in dieser Gesellschaft, unter den Kerlen, hier bin ich ein Nichts. So ein Weib ist ja ein überempfindliches Tier. Sie merkt schon die Unsicherheit in deinen Augen, jedes Zittern in deiner Hand. Verstehst du, was ich sagen will?«

Ich verstand. Er war gut drauf, er sagte das, was ich selbst fühlte. Wenn du kein Herr bist, ist in jeder Berührung von dir Angst. Damit deine Hand hart ist, musst du andere Rüden besiegen. Doch hierzulande konnten das weder er noch ich.

»Gib mir was von der Suppe«, sagte er.

Als wir unseren Wodka ausgetrunken und die Suppe gegessen hatten ― dreimal hatte ich sie aufgewärmt ―, sagte er: »Ein Faschist, mein lieber Eddi, ist ein Mann. Verstehst du?« Er stand auf, ging auf die Toilette, ohne die Tür zu schließen, und urinierte lautstark. »Verstehst du, um was es geht?«, fragte er aus der Toilette. »Der Kommunismus oder der Kapitalismus basieren auf der allgemeinen Unmännlichkeit, auf den Durchschnittsgefühlen. Nur der Faschismus basiert auf Männlichkeit. Ein richtiger Mann ist immer ein Faschist.«

Jans Augen strahlten Verachtung dieser Welt gegenüber aus, den Fanatismus eines Menschen, der gerade für sich eine neue mächtige Religion entdeckt hat. Ein Mensch mit so einem Blick muss einfach in Schwierigkeiten geraten. Ich beschloss, ihn besser aus dem Hotel zu begleiten.

Im Lift war ein einsamer Schwarzer mit Jeansweste über der nackten Brust. Jan stürmte los, um ihm seine Verachtung entgegenzuschleudern. Ich umklammerte ihn am Hals, als wollte ich ihm meine besoffene Kameradschaft bezeugen.

»Na, Kumpel, ein schöner Superman bist du, was!«

Der Kerl in der Weste fletschte die Zähne und lachte zufrieden. Die betrunkenen Weißen gaben ihm das Gefühl der Überlegenheit. Ohne Jan aus dem Schwitzkasten der Umarmung freizugeben, führte ich ihn an unserer Bar vorbei in die Nacht hinaus. Ich brachte ihn ein Stück den Broadway hoch.

Der Abend war warm. Bunte Neonlichter zitterten auf dem alten Broadwayasphalt. Musik und Mädchenkreischen drangen aus den Bars. Um uns herum atmete New York mächtig mit seinen Hunderten von Hochöfen, das Gießwerk der Fabrik »Stars and Stripes«.

Nach der 89. Straße ließ ich ihn allein. Ich klopfte ihm auf die Schulter, weil ich annahm, die letzten Straßen bis zur 93. könnte er ohne weitere Abenteuer auch alleine gehen. Ich drehte mich wieder Richtung Downtown und wartete auf das »Walk«, um weiter den Broadway runterzugehen. Aber ich kam nicht dazu, die 89. in die umgekehrte Richtung zu überqueren. Ich hörte Jans Stimme und Schreie: »Motherfucker!« Schuhe scharrten über den Asphalt. Und wieder: »Motherfucker!« Ich tat, was jeder an meiner Stelle getan hätte: Ich machte kehrt und rannte der Stimme meines Freundes entgegen.

Einen halben Block weiter, an der Wand eines Gebäudes mit dunklen Fenstern, führte Jan Slobin einen Kriegstanz vor einem fetten Typen auf. Der schien aus dem tiefsten New Jersey zu stammen.

Slobin hatte ein Messer in der Hand. Ich wusste, dass er immer ein Messer dabeihatte. Auch ich hatte oft ein Messer dabei, manchmal sogar zwei. Es war zu spät, um zu klären, wer Recht hatte, wer schuld war. Es hatte auch keinen Sinn, sie zum Auseinandergehen zu überreden. Sie hätten es nicht mal gehört. Ich tat, was man mir in der Saltowskaja-Siedlung vor dreiundzwanzig Jahren beigebracht hatte. Im Müll, am Rande des Bürgersteigs, sah ich ein paar ausrangierte Regale. Ich nahm ein Brett, lief von der Seite ran und haute es gegen den New Jersey-Typen. Der Typ parierte den Schlag mit der Schulter und einem Stück vom Ohr, dann griff er nach dem Brett und wollte es mir entreißen.

In diesem Moment klebte sich Jan an ihn. Seine Hand mit dem Messer stieß ihn mehrmals in die Seite. Der Typ schrie auf. Zuerst kurz, dann in einem langen Heulen. »Los, weg!«, schrie ich, warf das Brett fort und rannte vom Broadway auf die 90. Straße, dann weiter in Richtung Hudson. Jan rannte mir nach.

Keiner folgte uns. In der West End Avenue hielten wir ein Taxi an und fuhren die 42. Straße runter zum Times Square. Der Name des Taxifahrers auf seinem Schild war griechisch. Im Taxi fing Jan an zu lachen. Leise, dann stärker. Mit dem ganz nüchternen Lachen eines zufriedenen Menschen.

»Was lachst du, du Idiot?«, regte ich mich auf. »Vielleicht hast du ihn getötet.«

»Blödsinn. Der ist nicht tot. Ich hab in das Schwein reingestochen, so. Aber der lebt schon weiter. Ich bin ihm nicht an den Bauch, sondern in die Lunge rein. Dafür geht's mir jetzt gut. Danke, Eddi, für die Hilfe mit dem Brett. Du bist ganz schön flink, hätte ich gar nicht gedacht.«

Leuten wie Slobin kann man nicht mit dem Humanismus kommen. Und ich schon gar nicht.

»Ich sehe, du willst unbedingt in den Knast.«

»Was für ein Knast, Eddi, so ein Scheiß. Ich fühle mich jetzt echt wie ein Mann. Hier, fühl mal, meine Hand.« Er legte seine Hand in meine.

Eine ruhige, trockene Hand. Hart. Wenn Jan depressiv oder hysterisch war, war seine Hand immer feucht gewesen.

»Stimmt. Deine Hand ist jetzt anders. Sag mal, wer hat denn angefangen?«

»Ist doch egal, Eddi.« Ich schaute ihn an. Er schaute mich an. »Vielleicht wollte er auch Blut fließen sehen. Jetzt brauche ich einen guten Orgasmus.« Slobin lachte auf.

Ich verabschiedete mich von ihm am Times Square.

Um ein Uhr nachts war Andrea im Restaurant auf der East Side in der 54. Straße. Ich war mit ihr nicht verabredet, aber ich dachte, okay, wenn es sich schon so ergibt.

Andrea war die hässlichste Kellnerin im Freyers Inn. Und die jüngste. Sie war neunzehn, und auf ihren Wangen, die von einem leichten Flaum bedeckt waren, sprossen ein paar Pickel. Andrea versuchte verzweifelt, ihre Pickel loszuwerden. Sie war immer bereit für Sex, weil ihr Arzt ihr vor fünf Jahren mal gesagt hatte, dass die Pickel von den sexuellen Mangelerscheinungen kommen. Dann hatte er sie auf seiner Arztcouch flachgelegt.

»Edward!« Andrea kam gerade aus der Toilette, wo sie sich kurz zuvor geschminkt und die Pickel abgedeckt hatte. »God knows, ich dachte schon, die hätten dich in deinem Hotel gekillt. Ich hab dich in dieser Woche jeden Tag angerufen, und jedes Mal sagten sie an der Rezeption, dich gab's hier nicht.«

Campbell war im Urlaub. Deshalb musste Peres jetzt einen Manager und einen Telefonisten gleichzeitig abgeben. Er hatte keinen Bock zu arbeiten, Anrufe weiterzuleiten, also hatte er sich was einfallen lassen: Den gibt's hier nicht, und Schluss. Außerdem konnte er mich nicht ausstehen. Auf jeden Fall wurde in unserem Hotel nicht viel telefoniert. Die Aborigines müssen immer das Gesicht sehen, die Reaktionen. Wenn Freunde was zu besprechen haben, rufen sie nicht an, sondern sie kommen. Wie in Charkow.

Margery, eine Blondine mit einem verführerisch runden Hintern, die unser Gespräch mitgekriegt hatte, lachte auf. Ich hätte mit großem Vergnügen Margery gevögelt, aber sie hatte einen festen Boyfriend, in den sie, wie Andrea meinte, verliebt war. Genau gesagt, in seinen Schwanz, der nicht sehr dick, doch lang war. Alle diese Einzelheiten tauschten die Kellnerinnen untereinander aus, während sie den Besuchern Steaks, Pommes frites und Salate brachten. Margery war irgendwie anders gebaut, deshalb brauchte sie einen langen Schwanz. Irgendwas wurde da nicht berührt, wenn der Schwanz nicht lang genug war. Man denke nur, so eine riesige Stadt, Wolkenkratzer, Eisen, Beton, Money, Kampf um Money, doch das Leben der rundarschigen schönen Margery wurde nicht von Wolkenkratzern, Eisen, Beton, und nicht von der Bundesregierung bestimmt, sondern von dem in der Jeans ihres Boyfriends zusammengeknüllten Fleischzylinder. Das war die Religion und die Ideologie der guten Margery.

Andrea wollte essen. Wir überquerten die 3. Avenue und gingen ins P. J. Clark. In der Bar war es voll, im Restaurant nicht mehr. Sie war dran, mich einzuladen. Ich nahm Steak Tartare. Sie bestellte sich irgendein gebratenes Gefügelteil. Wieso muss man überhaupt essen, wenn man den ganzen Tag von Essen umgeben ist? Die Uhr hinter meinem Rücken schlug plötzlich surreale siebenmal. Es war halb zwei Uhr nachts. Andrea kriegte einen Silberblick, schnappte unterm Tisch nach meiner Hand und legte sie unter das Kleid auf ihren Bauch. Der Bauch war nackt. Ich streichelte den Bauch.

»Hast du mit Margery wieder über den Schwanz ihres Boyfriends geredet?«

Andrea lachte schüchtern.

»Du gefällst ihr, Edward. Sie will, dass wir es mal«, Andreas Lachen wurde dünner, »dass wir es mal zu viert machen, oder so.«

»Klar doch, machen wir«, sagte ich. Allerdings war ich nicht sicher, ob ich mit dem wunderbaren Boyfriend mithalten könnte. Margerys runder Hintern kam mir zu Hilfe. »Ihr müsst nur sagen, wann.«

Als wir aus dem P. J. Clark um drei Uhr rauskamen, saßen in der Bar immer noch viele Leute. Kaum vorstellbar, dass all diese anständigen Herrschaften genauso wie ich von der Stütze lebten. Allerdings wären sie auch nicht zu beneiden, wenn sie am nächsten Tag um neun bei der Arbeit erscheinen müssten.

In der Eingangshalle des Embassy, vor dem wir zehn Minuten später aus dem Taxi stiegen, war es laut und verraucht. Die Tür von der Halle zur Bar war offen, und von dort erklang eine Melodie, die man am Klavier spielte. Live, keine Aufzeichnung. Das Leben im Embassy plätscherte dahin, nicht schlechter als im P. J. Clark. Aus dem Lift kam uns eine Gesellschaft entgegen, die wie eine Zirkustruppe aussah.

Wir vögelten lange. Andrea roch besonders stark. Beim Einschlafen legte sie ihr klebriges schweres Bein auf mich und flüsterte: »Was ist denn mit dir, du warst so-o-o-o gut!« Ich sagte ihr nichts über Jan Slobins Theorie. Ich legte die Hand auf den Hintern der Kellnerin und bemerkte, dass Andrea ganz im Sinne seiner Theorie sich dankbar unter meiner Hand bewegte, sich anschmiegte und einschlief.

Als wir aufwachten, regnete es. Ein leiser, frühlingshafter Regen. Es war schon nach zwölf, deswegen rannte Andrea, ohne zu duschen, schnell los. Dreimal in der Woche nahm sie Unterricht im Zeitgenössischen Tanz. Meiner Meinung nach ließen ihr schwerer Hintern und ihre Schenkeln nur ein Ballett zu, das Ballett im Bett, aber hat schon jemals jemand einen anderen auf dieser Erde umstimmen können? Sie gab einen großen Teil des im Freyers Inn verdienten Geldes für diese Stunden aus.

Als ich die Schubladen der Kommode auswischte, die ich gestern mit Jan hochgebracht hatte, fand ich unter einer alten Zeitung, die den Boden auslegte, ein paar Seiten, die aus einem Buch gerissen worden waren. Ich vertiefte mich in die winzige Schrift und entzifferte den Text einiger Artikel des Strafgesetzbuches des Staates New York. »Überfall mit der Anwendung einer tödlichen Waffe« ― in allen möglichen Abarten, sogar einen Überfall mit dem Hammer gab es da. Es folgten die Zahlen der Straffristen, Ergänzungen und Ausnahmen. Einige Artikel waren rot eingekreist. Klar, die Bewohner des Embassy waren wissbegierig: sie wollten über ihre Rechte und Pflichten Bescheid wissen. Der Typ, der 1063 verlassen hatte, wo wir die Kommode gefunden hatten, hatte es nicht freiwillig getan, er war verhaftet worden.

Nachdem ich die Kommode mit neuem Inhalt gefüllt hatte ― darunter auch ein Drittel des Manuskripts »Tagebuch eines Losers« ― legte ich mich ans Fenster und öffnete den »Duce«. Gestern hatte ich den jungen Mussolini in der Schweiz zurückgelassen. »Briefe und Fotos«, kommentierte Smith hämisch, »zeigen einen sehr gut gekleideten Menschen, der alles andere als abgemagert ist.« Das Telefon klingelte: »1026? Komm doch mal runter.«

Der verdammte Peres klang gar nicht gut. Er sagte mir, dass ich die Miete bezahlen solle. Ich hatte noch siebzehn Dollar für zehn Tage. Ich musste sie Peres geben. Dem Hund einen Knochen vorwerfen, um ihm nicht das ganze Fleisch zu überlassen.

Das unbekannte böswillige Tier hatte es wieder mal geschafft, ein paar Minuten vor meinem Rausgehen den Korridor vollzuscheißen. Es stank bestialisch. Vor dem Lift stand ein alter Schwarzer mit einem Hund und hielt seinen Finger auf den Knopf. Ich schaute genau hin und sah, dass das Ohr und ein Teil der Backe des alten Mannes ein einziges blutig-eitriges Geschwür waren. Ich hatte den eitrigen Alten bis dahin noch nie gesehen. Vielleicht war er in das Zimmer des Verhafteten gezogen.

Über den Schalter des Managers war eine gelbe Plastikplane gespannt. Von der Decke der Halle tropften schwer und häufig Wassertropfen herab. Wie schaffte es das Wasser bloß, durch alle elf Etagen des Hotels hindurchzutropfen? Peres saß böse, sehr böse unter der Plastikplane. Ich legte siebzehn Dollar hin.

»Wie, machst du dich lustig über mich?«, sagte Peres und fischte meine Dollars verächtlich mit den Fingern auf. »Du bist uns anderthalb Monate schuldig, also zweihundertvierzig plus Steuern.«

Ich war sicher, er nimmt das Geld und macht mich vorher nur ein bisschen an.

»Campbell hat gesagt, er kann warten«, meinte ich. »Ihr kriegt den nächsten Welfare-Scheck ganz, ohne Abzüge. Ich zahle doch besser als die anderen, oder? F-Man ist fürs ganze letzte Jahr schuldig, für 1976.«

»Shit!«, sagte Peres. »Wie kannst du nur! F-Man hat zwei Gramm Hirn. Die Schwarzen scheißen sowieso auf alles. Du hast immerhin Bücher.«

»Sei kein Rassist«, sagte ich.

Er schüttelte den Kopf. Grabschte sich die Dollars.

»Die Quittung«, sagte ich.

»Trägst Hemden für zwanzig Dollar, ein Samtjackett«, musterte mich Peres traurig und schrieb die Quittung. Kopfschüttelnd.

Wieder in meinem Zimmer, gab ich mich erneut Mussolini hin. Die Seite des Strafgesetzbuches des Staates New York, die mir als Lesezeichen diente, lag unter dem Satz: »Briefe und Fotos zeigen einen sehr gut gekleideten Menschen, der alles andere als abgemagert ist. Es scheint, dass er weniger arm war, als er später vorgeben würde.«

Wahlen

Aus dem Russischen von
Barbara Lehmann und Aleksej Khairetdinov

Und dann waren die Wahlen.

Aus der Zeit meiner Wahlkampagne im Herbst 1995 sind mir nur schlecht beleuchtete, kalte Bibliothekssäle, Bürgerbegegnungsstätten und Kulturhäuser in Erinnerung geblieben, die Gespräche mit eingeschüchterten, unsicheren, misstrauischen, unschönen Menschen. Alte Leute mit kränklichen, zerknüllten Gesichtern, in rissigen Winterstiefeln und muffigen, nach dem Zwiebelprinzip übereinander getragenen Sachen. Welkes Gemüse, rührende Hysteriker. Böse, herzliche, alte Kinder im Halbschlaf.

Manchmal wollten sie mit mir erboste Streitereien anfangen, genau gesagt, mit meiner Biographie, meinen Büchern, die sie falsch verstanden hatten. »Sie haben das Land verlassen, im Westen gelebt, als wir hier leiden mussten, und jetzt kommen sie her und wollen die Macht.« Oder: »Sie machen in ihren Büchern Werbung für Homosexualität und Drogen und wollen auch noch, dass wir Sie wählen?« Direkte Angriffe gab es allerdings selten. Meistens war das Auditorium wohlwollend, aber auf jeden Fall verstörte sie, dass ich nicht wie ein Chef aussah ― keine Krawatte, keine fette Fresse. Wenn sie wieder nach Hause gingen, dachten sie wohl: »Hm, schon ein ungewöhnlicher Typ, und es stimmt auch eigentlich, was er sagt, aber irgendwie…« Hier, denke ich, hatten sie Schwierigkeiten mit der Formulierung. »Der ist keiner von uns, wie so ein bunter Vogel, aber aus einem anderen Film. Viel zu neu, viel zu auffällig. Geht nicht.«

Den ganzen November und Dezember lang, im Schnee, bei ewiger Dämmerung, besuchte ich den 194. Moskauer Wahlkreis mal mit der Metro, mal in alten Wagen von Bekannten. Ich trat in Bibliotheken, Sozialeinrichtungen, Instituten auf. Habe ich tatsächlich geglaubt, dass diese überaus beschränkten ehemaligen Sowjetbürger, die nunmehr die Bürger Russlands waren, die vielleicht niemals ihren Bezirk verlassen hatten, mich, einen Vagabunden, der in Dutzenden von Ländern gelebt hatte, als ihren Vertreter wählen würden? Einen, der das genaue Gegenteil von ihnen ist? Ich musste es glauben, und ich glaubte daran. Und meine zerbrechlichen Parteigenossen, fast Kinder noch, die genauso bizarr waren wie ich, glaubten es auch. Zur Registrierung kam ich mit meinen Vertrauensleuten. Keiner älter als neunzehn oder zwanzig. Der jüngste, Mischa Hors, war nicht einmal achtzehn. Und das sollte ein Abgeordneter werden! Die Mitglieder der Wahlkommission guckten uns mit schlecht verhülltem Entsetzen an.

Doch wir, arm und ausgehungert, kriegten die nötige Zahl der Unterschriften am schnellsten zusammen. Die Jungs waren mit sich zufrieden. Sie hatten nicht vergebens Hunderte von Häusern, Zehntausende Menschen abgeklappert und die erforderlichen siebentausend Unterschriften zusammengekriegt. Mit unseren Füßen, Kehlen, Händen, auf Kosten der Gesundheit, in schlaflosen Nächten.

Während der Wahlkampagne habe ich einiges gelernt. Ich habe festgestellt, dass die Anschauungen der Moskauer Wähler aus vielen Versatzstücken zusammengeflickt sind. Ein Stück Sowjetunion, das sie aus der patriotischen Presse hatten, ein Fetzen Pazifismus, ein Fetzen Judenfresserei, allerdings selten; bei den Juden oft schlecht versteckter Russenhass. Und andere exotische Elemente in den unterschiedlichsten Kombinationen. Und das alles auf einem allgemeinen grauen Hintergrund, auf dem Sackleinen des ödesten hauptstädtischen Provinzialismus. Ihre Ansichten, die im düstersten, tiefsten 19. Jahrhundert wurzelten, waren ihnen von den Sowjetchefs eingeimpft worden. Sie wussten mehr über Puschkin, die Husaren oder Marina Zwetajewa als über ihren Wohnungsnachbarn oder über die Fabrik, die auf der anderen Straßenseite vor sich hin rauchte. Ganz zu schweigen vom Ausland. Für sie war jeder Ausländer ein Millionär.

Nein, hier war nicht die Welt der avantgardistischen intellektuellen Ideen, keiner kannte hier den Philosophen Alain de Benoist, keiner hatte die Zeitschrift Krisis gelesen oder in der Zeitung L'Idiot International gearbeitet ― hier war noch immer das düstere Kellergewölbe des 19. Jahrhunderts. Und ich wedelte mit den Armen und versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erheischen. Komischer Kauz. Sie glotzten mich misstrauisch und mürrisch aus ihrem vorsintflutlichen feudalen Dostojewski-Winkel an. Und applaudierten nicht einmal. Und wenn sie applaudierten, dann an den falschen Stellen. Wie einem Affen, dem man einige Worte in ihrer Sprache beigebracht hatte. Zu Recht auch, so einer bin ich.

Sie wollten was anderes: gerissene Diebe, Speichellecker, ungebildete Aufsteiger, hilflose Beamtenidioten ― die waren wie sie, mit zottigen Haarbüscheln hinter den Ohren und weichen Bäuchen, die schon am Kinn ansetzen, das war ihre Wahl. Ich dagegen hatte zwar das gleiche Blut, war aber auffallend anders. Sie nahmen mir sogar übel, dass ich mit zweiundfünfzig noch nicht aufgeschwemmt war. Irgendwas stimmt nicht bei dem, argwöhnten sie. Doch meistens konnte ich sie umstimmen. Beim Abschied drückten sie mir die Hand und versprachen, mir ihre Stimme zu geben. Keine Ahnung, ob sie das auch taten.

Zu Hause fiel ich ins Bett und vögelte mit Lisa, meinem Skinhead-Mädchen. Drei― oder viermal begleitete sie mich zu den Treffen mit den Wählern. In Jeans und einem hauchdünnen Jäckchen zum Umpusten passte sie genauso wenig wie ich in diese Schneewüsten. Der Kandidat fürs Parlament und sein Mädchen mit einer CD von Tom Waits in der Tasche. Ein Stilbruch. Deswegen wollten sie mich nicht.

Ich dachte in diesen Monaten viel über Wladimir Iljitsch nach. Ich sah Lenin, wie er aus Europa kommt, wie ich zu ihnen, in dieses Klima, zu ihren dumpfen Seelen. Mein Gott, müssen die ihm auf den Geist gegangen sein! Nach all den korrekten bescheidenen Schweizern, den ordentlichen Deutschen, den distanzierten Franzosen also nun plötzlich diese finstere Bevölkerung, die einmal in hundert Jahren in blinde kollektive Raserei verfällt. Dieser Schnee, diese riesigen Straßen und Prospekte, diese tödlichen Entfernungen! Okay, die haben ihn ziemlich schnell kleingekriegt, den guten Lenin, darum eben hat er sich schnell abgegriffen, wie Seife. Wir hätten uns gut verstanden, Wladimir und ich. Beide haben wir ja zwei Jahrzehnte außerhalb von Russland gelebt. Also begann ich allmorgendlich mit ihm zu sprechen, während ich in meinem Aluminiumbecher meinen Tee heiß machte. Mit dem Kaffee war ja hier nichts mehr, und so kochte ich mir wie ein Lagerhäftling Teesud auf. Iljitsch hätten sie auch nicht gewählt, so wie mich. Selbst für damalige Zeiten zu klein, 1,63 m, das »R« rollend, mit einer weiß gepunkteten Krawatte, Weste, Stiefeletten. Unscheinbar, spricht wie aus Büchern, durch und durch fremd. Ein Ausländer. Die hätten lieber den Holzklotz Jelzin. Oder die Fresse eines Lebed. Iljitsch und ich sind da fragiler.

Ich dagegen! Energische Auffassungsgabe, Abertausende Speichereinheiten einmaligen Wissens im Gehirn, kämpferische stürmische Politikerfahrung im Westen, Gründlichkeit und Klarheit, unikale Willenskraft, die Fähigkeit, unablässig nachzuhaken, fanatisch, ehrlich bis zur Ekstase ― einfach ein Schmuckstück in jedem Parlament, überall auf der Welt. War ich nicht etwa in Frankreich der Erste unter einigen Auserwählten? Menschen meines Schlages gründen Staaten, Städte, machen Geschichte! Und hier brummelten mir irgendwelche verrunzelten Greise, die ihr ganzes Leben lang in ihren Küchen rumgesabbert hatten, aus dem Saal entgegen: »Wie sieht denn ihr ökonomisches Programm aus?«

Ich weiß noch, wie total enttäuscht sie alle waren, als ich die Frage nach den Eigentumsformen beantwortete. Meine Antwort war die einzig vernünftige: »Ich bin für die Eigentumsform, die Profit bringt. Hauptsache, das Unternehmen, die Fabrik, das Grundstück, das Rohstofflager, die Kolchose sind rentabel! Und ob es einem oder zehn Besitzern, der Belegschaft oder dem Staat gehört, ist zweit- oder sogar drittrangig. Ein Unternehmen muss regelmäßig Steuern abführen, anständig seine Angestellten unterhalten, erfolgreich seine Produkte an den Mann bringen, dann erfüllt es seinen Zweck. Das Privateigentum allein löst das Problem der Gewinnsteigerung nicht. Es ist falsch, ökonomischen Erfolg oder Misserfolg auf die Eigentumsformen zurückzuführen. Ein launischer Eigentümer kann morgen seinen Betrieb satt haben und zum Teufel schicken, der Betrieb geht dann vor die Hunde, und die Angestellten stehen ohne Arbeit da.« ― »Nein, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Für welche Eigentumsform sind Sie?«, löcherten mich meine Wähler. Sie wollten entweder ein »Ja« oder ein »Nein« und ertrugen keine differenzierte Antwort. Sie wollten eine klare Lüge. Ein roter Rentner schüttelte mir freundlich die Hand und belehrte mich: »Sie sind ein guter Mensch, aber in der Eigentumsfrage sind Sie noch nicht sattelfest. Ich würde ja für Sie stimmen, aber ich gebe meine Stimme dem Kandidaten der Kommunisten.« Das tat er wohl auch.

Während des Wahlkampfs wurde ich immer sicherer, dass die meisten Wähler absolut unbedarft und völlig ungebildet sind. Sie wählen keinen, der ihnen überlegen ist. Sie wählen immer nur das größte Schaf der Herde. Und niemals den Hirten. Es war mir absolut klar, dass sie mich nicht wählen. Dass ich von Natur aus ein Führer bin, und Führer werden nun mal nicht gewählt. Führer zwingen ihre Macht auf. Und das eben steht mir bevor. Das Risiko ist, auf diesem Weg erschlagen zu werden.

Epilog

Aus dem Russischen von
Barbara Lehmann und Aleksej Khairetdinov

Nach dem Mittagessen drücke ich den Knopf für die Wache. Die Klappe geht auf.

»Ich möchte arbeiten gehen, in die Zelle 13. Bin soweit.«

»Moment. Geht gleich los.«

Vierzehn Uhr vierzig geh ich raus, die Hände hinter dem Rücken pressen das Heft zusammen. »Gehen wir.«

Wir gehen also, ich vorneweg, Hände auf dem Rücken, Wolljacke, Pantoffeln, Bart, lange Haare à la Monte Christo, er, ein Unteroffizier, hinterher. An der oberen Linie des Buchstaben »K« entlang, der den Grundriss bildet, gehen wir zur Mitte des Baus. Am zentralen Aufsichtsschalter, an den Karyatiden, am Gestank der Katzenpisse unter der Treppe vorbei.

Die Wattejacke der Sonderkommandos über die Schulter geworfen, steht an der Wand gegenüber dem Aufsichtsschalter ein einsamer Soldat. Er zündet eine Zigarette an, sein Feuerzeug flammt auf, ein Feuerklecks in der Dämmerung.

Das Gefängnis ist still. Erhaben. Hoch. Enthüllend. Hier kann keiner sich selbst betrügen. Hier bist du so, wie du bist.

Wir kommen zur unteren Linie des Buchstaben »K«. Der Unteroffizier öffnet die 13, eine Einzelzelle. Er aktiviert vier Schalter: zwei für das obere Licht, einen für die Steckdose und den Knopf für die Wache.

»Danke.«

Die Tür fällt aufheulend ins Schloss. Ich setze mich an das Abstelltischchen. Breite meine Heftchen aus. Lächle. »Grüß dich, Ewigkeit!«

»Grüs-s-s dich-ch!« Die Ewigkeit schmiegt sich mit zischender Brandung an meine Füße.

»Grüs-s-s dich!«

Geliebte der Partei

Brief an eine Parteigenossin im Jenseits

Aus dem Russischen von
Barbara Lehmann und Aleksej Khairetdinov

Grüß dich, meine junge Mascha!

*

Ich rede dich so an, weil du erst siebzehn warst, als ich dich erkannt habe im biblischen Sinne. Und du warst erst zweiundzwanzig, als du uns verlassen hast. Deshalb wirst du für mich immer jung bleiben.

Als ich damals zwischen deinen zarten jungen Schenkeln lag und deine schweren Tittis knetete, habe ich so viel Lust empfunden und Freude, dass ich dir jetzt unbedingt danken muss. Ein Brief aus dem Gefängnis unter die Erde darf nicht traurig sein.

Ich schreibe ihn ja nicht, um zu trauern, sondern um deine Tugenden zu lobpreisen. Du hattest eine kleine Schramme auf der Stirn, ich küsse dich auf diese Schramme, mein Mädchen. Verwesen und Verschwinden sind nicht schrecklich, das sind ja nur Formen des Seins, Existenzformen, nicht mehr. Du hast keine Kinder zurückgelassen, Maschenka (wenn ich böse auf dich war, habe ich dich Maria genannt), aber du warst ein braves, gutes, leidenschaftliches kleines Mädchen, eine zärtliche kleine Sau. Du warst immer aufnahmebereit, wenn es nötig war ― immer zur Verfügung für deine harten Parteigenossen. Du hast keine Kinder zurückgelassen, aber eine Schar von Geliebten. Ich war einfach nur ein bescheidener Geliebter von dir, danke. In dir, auf dir, mit dir habe ich das Glück erlebt zu sein. Wie oft, weiß ich nicht mehr. Kann sein, hundertmal, egal.

*

Als eine der ersten Nationalbolschewiken in Piter kamst du zu uns: eine Studentin der Geschichte. Zusammen mit der feinen Tanja Tolstaja aus der besagten Familie, beide ward ihr Jahrgang 1978. Tanja ist kurz darauf wieder gegangen und unser Kamerad Taras Rabko mit ihr. Du aber bist geblieben, hast in der Partei gearbeitet. Du hast auf Kundgebungen und bei Protestaktionen gefroren, wie alle anderen haben dich die Bullen verprügelt und in den U-Haft-Käfig geworfen. Es gibt ein Gruppenfoto auf dem Schlossplatz an der Siegessäule. Mitten unter unseren harten Jungs in schwarzen Lederjacken stehst du in der ersten Reihe in einem langen Männermantel, hochgeschlossen, mit einer Zigarette. Ein Mädchen im Männermantel.

Wer dich so sah, hielt dich erst mal für ein gewöhnliches, trotziges Bastardmädchen aus dem Hinterhof von nebenan ― rauchend. Eine kleine Schramme auf der Stirn, keine Schminke, Jeans, Männerschuhe, die Haare meistens straff nach hinten gekämmt und mit einem Gummi zusammengebunden. Eine Kampfgefährtin, eine aus den Slums, immer bereit, sich zu prügeln. Ein Mädchen, ein Stacheldraht. Ein Auslaufmodell von 1978. Mindesthaltbarkeit bis zum Millennium.

Aber außer einer Aktivistin, einer tapferen Parteigenossin, einer missratenen Tochter eines Tiefseematrosen warst du ein leidenschaftliches Mädchen mit rotem Haarschopf, einmaligen Titten und innen ― ganz heiß. Notre Dame Stille Mein Sehnen.

Schneenacht, Petersburg. Februar 1996. In der Potemkinstraße, im Stab der Petersburger Dependence der Nationalbolschewistischen Partei ist eine Party. Gegen die Regeln, im Stab darf man nicht saufen und feiern. Kann sein, es ist lauter als sonst, kann sein, es ist später als sonst. Nun aber hatte mein damaliger Kampfgefährte Dugin das Ganze so angelegt, und ich wollte es nicht vermiesen. Ich blieb im Büro des Stabchefs, da kamen Dugin und Karagodin und stellten dich auf deinen Wunsch hin vor: »Hier, Edward, das ist Parteigenossin Mascha, sie will Sie schon lange kennen lernen.«

Damals warst du klein, erst im nächsten Jahr bist du größer geworden. Du hattest, Maria, schwarze Jeans und einen Sweater an, unterm Sweater ein T-Shirt und deinen nackten heißen Körper. Selbst der weite Sweater konnte deine prächtigen schweren Titten nicht verbergen. Das für die Begegnung mit dem Führer gut gewaschene Haar schimmerte rötlich. Später kam ich zu dem Schluss, dass du zu jener Rasse der Rothaarigen und Milchhäutigen gehörst, auch wenn die Rassenmerkmale der Rothaarigen nicht klar ausgeprägt waren. Du spieltest die Lässige und plumpstest mir auf die Knie, aber dein Popo zuckte angespannt, und deine Taille, die ganz dünn unterm Sweater war, vibrierte zart unter meiner Hand. Deine Haare, die sich auf deine Schultern und mein Gesicht ergossen, rochen nach nassem Winter, deine Backen brannten heiß, du verbreitetest den Geruch von Tabak, rochst nach Wodka und dem ätzenden Schweiß einer minderjährigen Frau.

*

Die Parteigenossen waren rausgegangen. Mit eifersüchtigen Gesichtern, wir blieben allein. Und du sprangst von meinen Knien, gucktest weg und riefst offen aus: »Ich bin so glücklich, lass uns schnell was trinken, ich hab sonst Angst vor dir!« Da merkte ich, daß du das »R« falsch aussprichst. Mascha, Seemanstochter, kleine Akademikerin, unsere Regimentstochter, meine Geliebte, Geliebte der Partei (meine zarte junge Leiche, du warst sehr hübsch).

Die Tür hatte so einen komischen Riegel, man konnte sie nur von außen schließen. Wir baten Alexander darum und gingen nicht vor elf am nächsten Morgen wieder raus, als uns eben dieser Alexander aufmachte. Um zwölf begann der Parteitag. Im Büro der Partei, das gleichzeitig als Büro einer Teeabfüllungsfirma diente, war es kalt. Wir warfen uns alles über, was wir nur finden konnten: unsere Mäntel, den Überzug vom Sofa ― und kopulierten verzweifelt unterm Porträt von Mussollini im grünen Helm auf rotem Hintergrund. Du hattest weiße Unterhosen an, Mascha, und sie erinnerten mich wieder daran, dass du ja minderjährig warst, eigentlich. Alle meine Frauen haben immer schwarze Wäsche getragen. Von dem zu engen Gummi hattest du an der Taille eine rote Vertiefung. Ich habe deine rote Vertiefung geküsst. Wie, war das jetzt die neue nationalbolschewistische Ästhetik, sich mit der Parteigenossin unter dem Porträt von Benito Mussolini zu vereinigen? Meine doofen Schriftstellerkollegen können diese neue Welt ― zwei Paar Armeestiefel und zwei Jeans vors Sofa geworfen ― nicht verstehen. Mit einem Mädchen, das, wie sich herausstellt, kein einziges Kleid besitzt und nie einen Rock anhat. Am Morgen sahen wir, dass das Fenster oben auf war und es hereingeschneit hatte. Im Tageslicht warst du ganz weiß, wie der Winter, wie die Milch. Ich habe genau gesehen, dass du kleine weiße Füßchen hast, kleine Ohren. Ein Jahr später, sage ich doch, bist du gewachsen und warst fast größer als ich, aber die Öhrchen und Füße sind so klein geblieben. Du warst ein schönes, lustiges Hündchen, Mascha. Ein Naturphänomen, immer bereit, deine, na wie soll ich das am wenigsten grob sagen, das, womit man fühlt, herzugeben.

Im Sommer kamst du zu mir nach Moskau, ich musste dich vor Lisa verstecken, nicht wegen irgendwelcher blöden bürgerlichen Gedanken: Du wusstest, dass es Lisa gibt, Lisa wusste, dass es Mädchen gibt, doch Lisa lebte damals mit mir, wohin also mit ihr, und ich wollte dich und sie. Ich hatte die Zeitung, die Partei am Hals. Aber wir fanden Zeit, halb betrunken und glücklich von unseren Vereinigungen zusammen durch Moskau zu ziehen und haben einander zwischen die Beine gefasst, an den unmöglichsten Orten. Die Moskauer Passanten waren schockiert, weil wir buchstäblich wie Vater und Tochter aussahen. Dass ich dir zwischen die Beine langte, hat uns erregt. Das erregte die Passanten, das erregte Moskau, die Kremltürme, den Glockenturm Ivan des Großen, der einem Schwanz mit nackter Nille ähnelte. »Der Glockenturm sieht aus wie eine vergoldete Eichel!«, schriest du lachend und hast dabei graue Petersburger Pilze aus einer Streichholzschachtel gegessen.

Ich wusste, dass du nicht nur mit mir offen und unkompliziert warst. Du zogst halt gerne die Jeans runter und gabst dich hin. Ich wusste, dass du es mit anderen Genossen machst, und war nie eifersüchtig. Ich habe nie verlangt, dass du es nur mit mir machst. Ich wusste, wenn ich dir befehle: »Du lebst jetzt mit mir«, hättest du brav mit mir gelebt und mich niemals betrogen, ich war ja dein Kommandeur, dein Führer, und du warst immer ein zuverlässiger und disziplinierter Parteigenosse. Du hast mich immer am Moskauer Bahnhof abgeholt, wenn ich nach Petersburg kam, du wusstest, wann ich komme, auch wenn ich heimlich kam. Ich war sicher, dass du da sein wirst. Dass du auf dem Bahnsteig unter den Jungs stehen wirst. Meistens mit einem Rucksack auf den Schultern.

Ich hab dich gedrückt, deine Titten geknetet, hab dir einen verpasst, wo es nur ging. Dir hat es immer sehr gefallen. Du hast dich in Smolensk an mich rangeschmissen, alle haben jungfräulich in Reih und Glied auf dem Boden geschlafen, und du schicktest dich subversiv an, mir einen unter der Decke zu blasen. Links schlummerte friedlich mein Leibwächter. Du hast mir mit Begeisterung einen im Zug Pskov-Moskau geblasen. Kostja Lokotkov, Gott hab ihn selig, hat sich auf der oberen Liege weggedreht und die Ohren mit der Jacke zugedeckt, so geräuschvoll war deine Lust.

Einmal lagen wir angezogen da, ich habe dein Öhrchen gestreichelt, einfach so. Es war Winter. Plötzlich sprangst du auf, knietest nieder, mit erhitztem Gesicht, leuchtenden Augen, zwei Pupillenbällchen, ungewöhnlich geweitet.

»Komm, ich bediene dich wie Maria Magdalena.«

»Wie meinst du das? Wie die Sünderin, oder was?«

»Sie hat Jesus die Füße gewaschen und mit ihren Haaren getrocknet. Hat dir schon mal jemand die Füße gewaschen und mit den Haaren getrocknet?«

»Nein«, sagte ich, »keiner. Meine Mutter vielleicht, als ich klein war. Aber nicht mit ihren Haaren, sondern mit einem Handtuch, klar.«

»Dann bin ich wenigstens darin die Erste«, lächelte sie, machte die Zigarette aus und ging ins Bad. Schnaufend schleppte sie eine rote Plastikschüssel mit Wasser herbei. Kniete nieder. Zog mir die Schuhe aus. Krempelte mir die Jeans hoch. Wusch mir sorgsam mit ihren Fingern und Handflächen die Füße. Dann beugte sie sich tief nach unten und wischte mir die Füße mit den Haaren ab. Ihre Haare weckten viele seltsame Gefühle in mir, weil sie die Haut der Fußsohlen auf eine besondere Weise reizten.

»Weißt du«, sagte ich ihr, »die Alten haben nichts einfach so gemacht. Ich verstehe, das ist schon sehr speziell.«

»Toll«, sagte sie und schaute mit Liebe zu mir auf, was mich verwirrte. »Jetzt wirst du immer an mich denken.«

Ja, ich denke an dich, meine junge Leiche, ich denke an dich, und wie. Ich hab das Gefühl, ich führe meine Hand an die Nase, und sie riecht nach deiner jungen dreisten Möse. Und die Jungs denken an dich. An dein Herz, an deine großzügig gespreizten Schenkel, unsere Süße, du. Ein Mädchen wie du ist mehr wert und besser als hundert stinkende Rührmichnichtans. Eine Frau muss immer bereit sein.

*

Wir wussten lange nicht, dass wir einen Rivalen haben, und sein Name beginnt mit dem lateinischen »H«. Genauer gesagt, wir Moskauer wussten von diesem Rivalen längere Zeit nicht als die Petersburger. Die Petersburger, die dich öfter sahen, erfuhren es eher. Offensichtlich fehlte dir selbst in unserem unruhigen revolutionären Parteileben die Ekstase. Und du suchtest die Ekstase, indem du dich mit »H« trafst. Eines Nachts hast du mich angerufen und auf meinen Anrufbeantworter Urschmerz und Schrecken hinterlassen. Du riefst aus den Armen »H«s an. Als ich am nächsten Tag nach Hause kam, versuchte ich, dich zu finden, dein Vater sagte böse, du seist nicht zu Hause. Als ich dich fand, stellte sich heraus, du wusstest gar nicht mehr, dass du mich angerufen hattest.

»Alles in Ordnung, Maria?«, fragte ich.

»Bei mir ist alles in Ordnung, keine Sorge. Ich bin ein kräftiges Mädchen«, sagtest du. Aber alle »R«s in »Ordnung« und »kräftig« kamen weicher als sonst.

*

Im Oktober 2000 bist du gestorben. Du warst zweiundzwanzig und zwei Monate. Die Partei vergisst dich nicht, die Männer der Partei vergessen dich nicht. Du hast so viele selig gemacht. Dich vergesse ich nicht. Hier, ich führe meine Hand zur Nase, und die Hand riecht nach deiner jungen, dreisten Möse. Darum schlafe sanft, unser Kampfgenosse.

Djnestr

Aus dem Russischen von
Barbara Lehmann und Aleksej Khairetdinov

Wir gingen los. Die Gewehre in den Händen, die erste Patrone schussbereit. Waffenstillstand hin oder her. Aber vor dem Tod noch einmal in abgehackten Salven dorthin ballern, woher die Kugel kam. Und sie könnte aus dem Dickicht am Ufer kommen, von jedem Blödmann, der sich um den Waffenstillstand nicht scherte. Gestern hatte ich in einer anderen Position durchs Ziellernrohr die sich im Hof gegenüber lümmelnden Offiziere der »Rumänen« gesehen und wollte nur eins: mich dem Waffenstillstand widersetzen und sie mit meinem Großkaliber niedermähen. Ich hatte mich gerade noch zurückgehalten. Und dort im Dickicht am Ufer entlang saßen jetzt viele solche Hitzköpfe wie ich.

Wir gingen und schlugen mit den Stiefeln auf (ehrlich gesagt, die meisten trugen Sportschuhe), wie auf einer Parade, langsam. Was ich an diesem Wahnsinn namens Krieg liebe, ist, dass sich hier alle vor allen und vor sich selber einen runterholen. Eigentlich hatten wir auf der anderen Seite des Damms nichts zu suchen. Das Ufer dort gehörte nicht uns. Der Eisensteg endete in einer mit dicht aneinander gerückten Sandsäcken geschützten Maschinengewehrstellung, aber die konnte man nur über die Kasematte erreichen: Der Ausgang führte direkt in diese Stellung. Das heißt, wir gingen einfach nur gucken. Aber da gab's gar nichts zu sehen. Dort war unter der Stellung ein Minenfeld. Alle wussten das, und keiner hatte was dagegen. Weder sie noch wir.

Einmal war irgendein rumänischer Offiziersbursche auf das Minenfeld geraten und zerfetzt worden. Und den haben die Füchse ganz sauber abgenagt. Die vorsichtigen und leichten Füchse werden nie von den Minen erfasst. Also gingen wir gucken. Sonst nichts. Oder eben, um von einer Kugel getroffen auf die von Generationen von Hydromechanikern polierten Stahlbleche zu fallen und zu verbluten. Die Einheimischen haben sich auch nicht gedrückt. Sie gingen offen, ihre Brust hinhaltend, vom Feind genauso gut zu sehen wie wir. Sie führten uns, die Moskauer. Ein wunderbarer Anlass, uns noch einmal ihre Kühnheit zu zeigen. Wir waren gerade mal sieben Mann.

Unter so einer Sonne muss das Blut schnell gerinnen, dachte ich, als Dritter marschierend, und verguckte mich bis zum Schmerz ins Smaragdgrün der Ufer. Dazu versengte die Sonne noch die Augen, indem sie sich in den auf Hochglanz polierten Stahlblechen spiegelte. Wenn man hier fällt, wird man die Verletzten niemals heraushauen, dachte ich, vor dem Hintergrund des wolkenlosen blauen Himmels sieht man uns in allen Details bis zum Gewehrriemen, da braucht man nicht mal ein Schütze sein und nicht mal durchs Fernrohr gucken. Hier werden alle niedergemacht. Ich würde zuerst dem Vorder- und Hintermann die Beine wegballern und dann ganz gemütlich die anderen in die Brust und den Kopf schießen.

Wir marschierten bis zur Mitte des Flusses, und da sahen wir, wie der Djnestr sich als glänzender Streifen nach unten und weiter zum Meer bewegt. Es wehte ein duftender Wind, der frischeste in der Welt, ab und an brachte er winzigen Wasserstaub herbei. Ich stellte mir vor, wie sich im Visier des Schützen meine Brillengläser spiegeln und nahm einen riesigen Schluck der leckeren Luft…

*

In der Stellung wartete man auf uns. Wir umarmten uns und klopften einander auf die Schultern. Die Maschinengewehrschützen bewirteten uns aus der Feldflasche. Jeder nahm einen knappen Schluck. Sieben Frauen hatten diesmal Glück. Zurück gingen wir durch die Kasematte, fluchend und lachend.

Wer die Stege des Dubossarskaja Wasserkraftwerkes nicht überquert hat, oben auf dem Damm entlang, der… ich versuche, Worte zu finden… der kennt nicht die Ohnmacht des Wahns. Ist auch besser so.

Dostojewski. 16 Bilder pro Sekunde

Aus dem Russischen von
Barbara Lehmann und Aleksej Khairetdinov

Im Petraschewski-Zirkel hatten sie bloß die neuesten westlichen Ideen aus Kultur, Politik und Ökonomie diskutiert. Doch im viel gepriesenen zaristischen Russland reichte das bereits aus, um verhaftet und zum Tode verurteilt zu werden. Auf dem Schafott wurde die Klinge über ihrem Kopf zerbrochen und in eine Zivilstrafe umgewandelt; dann wurden sie nach Sibirien geschickt. Den halben Weg bis zum Norden Tatariens mussten die Verbannten in schweren Beinketten gehen, die sie durch den Dreck schleiften. Dann wurden ihnen Handfesseln angelegt. Und so ging es bis nach Semiplatinsk in Nordkasachstan. Und das alles wegen ein paar Ideen.

Übrigens wurde auch Lenin beim ersten Mal wegen einer Lappalie verbannt. Die Studenten der Kasaner Universität hatten eine Versammlung abgehalten, wo sie über die Selbstverwaltung der Uni geredet hatten. Russland war und ist eben das Land der »Finsterlinge« ― weder die Freiheit des Wortes noch die Freiheit der Überzeugungen hat in die Köpfe der Machthaber je Eingang gefunden. Ich schreibe dieses Buch hier im Gefängnis, das ist wohl der beste Beweis. Dostojewski hat also sein Fett abgekriegt. Weil er die beschissenen Ketten durch den Dreck schleifen musste, hat er sich Wunden, Narben und offene Geschwüre eingehandelt.

Er ist der monumentalste und fundamentalste russische Schriftsteller. Hat Nietzsche inspiriert. Schuf riesenhafte literarische Bauwerke wie die »Dämonen«, die »Brüder Karamasow«, den »Idioten«, »Schuld und Sühne«. Er wurde wie Balzac pro Seite bezahlt, so hat er viel geschrieben, lang. Manchmal auch allzu lang. Die Quadratmeter seiner Erörterungen nerven durch ihre abstrakte russische Aufdringlichkeit. »Was ist besser: Wenn die Welt zusammenbricht oder ich meinen Tee nicht trinke?« Er hat etwas Teuflisches an sich, dem Gerücht nach soll er eine minderjährige Waise vergewaltigt haben. Schon bevor Fjodor Michailowitsch mit einem Sack über dem Kopf vor dem Schafott stand, hatte er Gründe, die Welt tragisch zu sehen: Betrunkene Bauern hatten seinen Vater, einen Gutsbesitzer polnischer Herkunft, bestialisch erschlagen.

In den monumentalen Werken Dostojewskis gibt es ein Meer von Tränen, Tausende von Hysterien, eine kolossale Anzahl von Gesprächen zum Tee, zum Wodka und ohne alles, Gespräche über die Seele, über Gott und die Welt. Seine Helden berauschen sich an diesen Gesprächen, sie martern sich selbst und andere mit Worten. Sie haben nichts anderes zu tun, als sich das alles aus den Fingern zu saugen, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Im Westen glaubt man, Dostojewski habe besser als alle die russische Seele ausgedrückt und die Russen dargestellt. Das ist nicht wahr. Hysterisch, weinerlich, kreischend, stundenlang ununterbrochen labernd, sich schneuzend und gotteslästerlich ― so sind die Bewohner seiner Bücher. Die Dostojewskianer sind ein besonderes Völkchen. Mit den Russen haben sie wenig gemein. Höchstens vielleicht, dass sie in russischen Städten leben, Sankt Petersburg & Co, über russische Straßen und den Newski-Prospekt laufen, und das war's.

Der Russe ist vor allem ein düsterer Bewohner des Nordens. Er ist unfroh und wortkarg, wie der Skandinavier. Im normalen Zustand mangelt es ihm an Wärme. Mit einer gehörigen Menge Wodka, oder auch bei den Zigeunern, löst sich seine Zunge und er wird zugänglich. Im Gegensatz zu den Dostojewskianern. Die haben immer einen bestimmten Grad an Hysterie, sie sind allseits bereit, zu schwätzen, zu weinen und Tag und Nacht zu diskutieren. Wie in Filmen, die mit einer Geschwindigkeit von 16 Bildern pro Sekunde laufen, ist ihre Aktivität erhöht. Hände, Beine, Speichel, Tränen, Reden über Gott und Teufel blitzen auf, und dies alles in einem speicheltriefenden, sich überstürzenden Redeschwall. Vielleicht rührt dieser Geschwindigkeitsschub der menschlichen Aktivität ja daher, dass Fjodor Michailowitsch, der Schöpfer dieses Grand-Guignols, Epileptiker war? Ein Epileptiker zuckt, brüllt, stößt Schaum aus, er dehnt sich mit dem ganzen Körper in unmenschlicher Geschwindigkeit.

Diese unrussischen Dostojewskianer, die mit einer Geschwindigkeit von 16 Bildern in der Sekunde leben, sind das Geheimnis Dostojewskis. Mir persönlich gefallen die ersten hundert Seiten von »Schuld und Sühne«. Sehr stark! Doch weiter, leider, kommen Rotz und Speichel, und zwar im Übermaß. Lang und öde werden die Beziehungen zu Gott geklärt. Es sind warme, stinkende, fleischliche, intime, fast schon sexuelle Tête-à-Têtes mit dem Herrn. Irgendwie unanständig durch ihre Nähe, ihre Klebrigkeit und ihren heißen Atem. Das Ganze hat zudem (diese Worte schreibe ich im Gefängnis, ich muss es wissen) etwas von einer engen Zelle, wo die Latrine neben dem Tisch steht und die Bedürfnisse der Gefangenen eng miteinander verflochten sind: Ob du oder dein Nachbar sich gerade auf der Pritsche breit macht, das durchschaut eigentlich keiner. Kurz gesagt, viel Enges, Heißes, unangenehm Nahes in der Masse der Dostojewskianer rührt vom Wohnheim des Gefängnisses her. Vom Wohnheim jenes Gefängnisses, in dem Fjodor Michailowitsch haust.

Der Westen liebt Dostojewski und seine vorgeblichen Russen. Alle westlichen Aufführungen der russischen Stücke (und der Dostojewski-Dramatisierungen insbesondere) sind mit einer grotesken, unangemessenen Geschwindigkeit gemacht, mit Hysterie, Gekreische und unter psychologischem Druck. In den westlichen Dostojewski-Inszenierungen führen sich die Schauspieler wie von Sinnen auf. Aber so sehen sie nun mal die Dostojewskianer, die sie für Russen halten. Das ist ein Fehler, der Russland möglicherweise noch viel kosten wird. Denn wer weiß, auf einmal geht der Westen (ganz besonders Amerika) auch in seinen strategischen Berechnungen und Plänen davon aus, dass die Dostojewskianer Russen sind?

Dostojewski hat große und orginelle Typen in der Menschenmenge gefunden: Raskolnikow, Myschkin, Werchowenski, schließlich Nastassja Filippowna. Doch er hat es nie geschafft, seine Helden auch mit einer heldenhaften Sache zu beschäftigen. Meistenteils schwätzen sie und prahlen, und ihre Reue ist unerträglich. Ihre Verbindung zu Gott ist unerträglich. Dieses Geschwätz zieht sich über Hunderte von Seiten hin. Wie das halt so ist bei den Klassikern. Dostojewski sollte man lieber in Ausschnitten lesen, als einen Reader's Digest der stärksten Episoden.

Nichtreligiöse Menschen werden sich mit Dostojewski langweilen. Heute sind jene Dostojewski-Stellen wie die »Legende vom Großinquisitor« blass und unbedeutend geworden. Auch seine »Dämonen«, diese Karikatur auf die Revolutionäre, können keinen Eindruck mehr machen und erscheinen wie eine Auftragsarbeit. Die besten Figuren Dostojewskis sind Rodion Raskolnikow, der schrankenlose Student mit dem Beil, und Fürst Myschkin, der nicht von dieser Welt ist. Um sie kann man Dostojewski beneiden. Gut, er hat sie nicht hundertprozentig ausgenutzt. Aber er hat sie gefunden!

Barbara Lehmann

Nachbemerkung zu Edward Limonow

Edward Limonow ist rebellisch, degoutant, aggressiv, zärtlich, egoman, genial. Als ein vom Ehrgeiz zerfressener Provinzler kommt er Ende der sechziger Jahre nach Moskau, schreibt Gedichte, vögelt die schönsten Frauen, haut nach New York ab, lebt dort als Paria in der Gosse, schreibt Prosa, kämpft sich durch die New Yorker Boheme und Welt der Finanzmogule, flüchtet sich, verlassen von seiner Frau, in Masochismus und Drogen, setzt sich nach Paris ab, wird dort mit seinem autobiographischen Roman »Fuck off, Amerika« zu einem Bestsellerautor, verkehrt in den Salons der Großbourgeoisie und unter den linksradikalen Intellektuellen der Achtziger, kehrt zurück nach Russland, stürzt sich in die Perestroika, wird von den neuen Machthabern in den Literaturpantheon gehievt, kotzt und haut ab nach Bosnien-Herzegowina, kommt nach fünf Kriegen in Moldawien, im Kaukasus, in Mittelasien nach Moskau zurück, geht in den Untergrund, gründet die radikale Nationalbolschewistische Partei und ihre Zeitung »Limonka«, avanciert zum Führer der oppositionellen Jugend, wird im April 2001 infolge einer Geheimdienstoperation verhaftet, wegen versuchten Umsturzes der Staatsmacht und Terrorakten angeklagt, sitzt anderthalb Jahre im Moskauer Lefortowo-Gefängnis und in Saratow in Untersuchungshaft, wird schließlich wegen illegalen Waffenbesitzes zu vier Jahren Lagerhaft verurteilt, schreibt in dieser Zeit ein Dutzend Bücher, kommt im Herbst 2003 vorzeitig frei, seine Nationalbolschewistische Partei führt spektakuläre politische Aktionen bis zur Besetzung der Präsidentenadministration durch, wird verboten, zahlreiche Mitglieder werden verhaftet, die Parteizentrale im »Bunker« an der Frunsenskaja Nabereshnaja wird gesperrt, Limonow wird zum Helden der hauptstädtischen Intelligenzia, die Partei bekommt neuen Zulauf und spaltet sich, die abtrünnigen Genossen in der Provinz werden ausgeschlossen, der innerparteiliche Kampf zwischen verdeckten Geheimdienstagenten in der Provinz und der Moskauer Führung spitzt sich zu, Limonow erscheint mit einer jungen Sängerin auf den Titelblättern aller Hochglanzmagazine, appelliert erfolgreich wegen des Parteiverbotes an den Europäischen Gerichtshof in Straßburg, positioniert sich mit seinem neuen Buch »Limonow gegen Putin« als Führer der radikalen Opposition für die Wahlen 2008, heiratet die schwangere Sängerin, wird zum Familienvater, behauptet, Moskaus Gerichte seien dem Bürgermeister Luschkow hörig, wird verklagt auf Zahlung von fünfhunderttausend Rubeln, erklärt den Offenbarungseid, beendet das Familienexperiment und sucht sich eine spartanische Bleibe, erklärt links / rechts für obsolet und ruft auf zum friedlichen Protest gegen den »Neozarismus«, etabliert zu Ehren des 31. Verfassungsartikels über Versammlungsfreiheit alle zwei Monate am 31. eine friedliche Protestkundgebung auf dem Moskauer Triumfalnaja Platz, wird bei der Oktoberdemonstration 2009 verhaftet, sitzt zehn Tage ab und liest Lenin in seiner Einzelzelle, bringt sich als Präsidentschaftskandidat für die nächsten Wahlen ins Spiel…

limonka

Zu den Beiträgen

Die in Bremen und Leipzig herausgegebene Literaturzeitschrift »Krachkultur« wird ihrem Ruf als Lautsprecher der literarischen Szene einmal mehr gerecht. In ihrer dreizehnten Ausgabe präsentiert »Krachkultur« vor allem eine der schillerndsten Figuren der russischen Literatur und der russischen Oppositionsbewegung — Edward Limonow.

Edward Limonow — seine Rollen und Metamorphosen sind Legende und bilden den Stoff seines umstrittenen Werkes. Als junger Mann emigrierte er in die USA und nach Frankreich — und wütete mit seinem Skandalroman »Fuck off, Amerika« (1979), der ein internationaler Bestseller wurde, gegen sein Paria-Dasein im Westen. Nach seiner Rückkehr ins liberale Jelzin-Russland kämpfte er in fünf Kriegen gegen den Zerfall des Sowjetreiches und den russischen Raubtierkapitalismus und mutierte zum Führer der radikalen Nationalbolschewistischen Partei und einer deklassierten Jugend. Im kleinbürgerlichen Putin-Russland landete er wegen angeblicher terroristischer Umtriebe im Gefängnis und wurde wegen Waffenschmuggels und -besitzes zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Inzwischen kämpft er Seite an Seite mit sowjetischen Bürgerrechtlern und Liberalen gegen das Putin-Medwedjew-Regime.

»Krachkultur« Nr. 13/2010 präsentiert einen Querschnitt durch das neuere erzählerische Werk Limonows, dieses »göttlich begnadeten Dichters« (Ljudmila Ulitzkaja). Die große Erzählung »Mussolini und andere Faschisten« führt noch einmal in das New York der siebziger Jahre: Eddi, kaputt im Embassy-Hotel, als einziger Weißer unter lauter Schwarzen, bitterböser Humor im »Fuck off, Amerika«-Style, herrlicher Beleg für die »totalisierende Poetik der Verärgerung« (Olga Matich), die Limonow betreibt. Weitere Texte zeigen den Wahlkämpfer Limonow, der seine potentiellen Wähler verachtet (»Wahlen«), berichten aus dem Gefängnis, das offenbar ganz gute Arbeitsbedingungen für einen Schriftsteller bereit stellt (»Epilog«), erinnern an eine Parteigenossin, deren Fähigkeiten besonders von den männlichen Parteimitgliedern geschätzt wurden (»Geliebte der Partei«), beweihräuchern die kriegerische Erfahrung (»Djnestr«), nehmen den Hysteriker Dostojewski aufs Korn (»16 Bilder pro Sekunde«). Die Übersetzerin und Russland-Expertin Barbara Lehmann informiert in einem rasanten Essay über Leben und Werk Limonows.

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